: Junge destruktive Dänen
Kopenhagen (taz) — Zum Jahreswechsel schnell noch seine Post in den Briefkasten zu werfen, war seit Jahren in Dänemark nicht ratsam. Für leicht bis mittelkräftig angeheiterte Jugendliche ist es ein Lieblingssport, Feuerwerkskörper in die roten Postkästen zu stecken. Die Wirkung, je nach Sprengladung des Knallers, reicht von verkohlter Post bis zu schrottreifen Briefkästen.
Jährlich wiederkehrende Appelle an das Verantwortungsbewußtsein der jungen Dänen halfen nichts. Im Gegenteil: In manchen Großstadtbezirken mußte die Post zum Neujahrstag die Verkohlung und Verbeulung jedes zweiten Briefkastens vermelden. Kosten für ein neues Exemplar: umgerechnet ein knapper Tausender. Bis der Postler Leo Sebald im Herbst die rettende Idee hatte. Er erfand einen trickreich gebogenen Kupferhaken, der — gerade noch pünktlich in einigen tausend Exemplaren hergestellt — am Silvesterabend von innen die Einwurfklappen sämtlicher Briefkästen verschloß. Kosten pro Haken: 40 Pfennig.
Der Erfolg war durchschlagend. Die Post meldete am Neujahrsmorgen eine ruhige und friedliche Nacht für die 11.000 Briefkästen im Lande. Und auch Postler Leo bekam was ab: 10.000 Kronen, etwa 2.500 Mark, als Erfindungsprämie. Zwar nicht einmal der Gegenwert für drei zerstörte Briefkästen, aber auch die dänische Post muß sparen.
Der Wunsch vieler Dänen, sich in der Neujahrsnacht mit Kaputtmachen zu beschäftigen, wurde durch Leos Erfindungsreichtum allerdings nicht gestoppt. Nur auf andere Objekte gelenkt. Die Telefonzellen mußten dran glauben. Nach einer ersten Bilanz wurde jede vierte Telefonzelle in der Neujahrsnacht unbrauchbar gemacht. Von abgerissenen Hörern, zerschlagenen Scheiben bis zu mit selbstgebastelten Sprengsätzen völlig zerstörten Zellen. „Wir können auch versuchen, die Häuschen zerstörungssicher zu bauen“, resignierte Ole Gylling von der jütländischen Telefongesellschaft, „aber das würde Millionen kosten. Da wird es wohl billiger werden, jedes Jahr aufs neue zu reparieren.“ An den Erfindungsreichtum seiner Mitarbeiter will er aber trotzdem appellieren. Die dänische Post will ihre Kupferhaken jetzt auch ausländischen Postgesellschaften anbieten — sollte dort Bedarf bestehen. Reinhard Wolff
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