: Von wegen FC Bayern
■ Der AC Bavaria Goldbach errangelt in Schifferstadt mit 17,5:7,5 den vierten Meistertitel im Ringen
Ludwigshafen (taz) — In Ringerkreisen kursiert seit einiger Zeit das Gerücht, der AC Goldbach, erst Mitte der 70er Jahre in die Bundesliga aufgestiegen, sei der FC Bayern München des Mannschaftsringens. Völlig zu Unrecht, denn ganz im Gegensatz zu den müden Kickern dominieren die Goldbacher auch 1991/92 die Ringerbundesliga, fanden vielmehr kaum noch echte Gegner ob ihrer großartigen Besetzung in allen Gewichtsklassen.
Noch zu Beginn der neuen Runde hatte man nicht zu hoffen gewagt, nach der schwachen vorhergegangenen Saison wieder ganz vorne mitzukämpfen. Doch dem Sieg Mitte Dezember gegen Goldbachs Lokalrivalen Mömbris-Königshofen folgte ein unerwartetes Unentschieden gegen den KSV Aalen, und der Weg ins Finale war geschafft. Endkämpfe pflegt der VfK Schifferstadt in der maroden Friedrich—Ebert-Halle in Ludwigshafen auszutragen. Nun, die BASF- Stadt ist getreu ihrem eigenen Werbeslogan eben „überraschend anders“.
Überraschend anders, als die meisten der 3.000 ZuschauerInnen es sich gewünscht hätten, verlief auch der Finalkampf zwischen den beiden ungleichen Besten des deutschen Ringens. Auch Entspannungsmusik der imaginativen Art beim theatralischen Einzug der Leichtbekleideten änderte daran nichts. Nach den ersten beiden Kämpfen führte Goldbach mit 6:0.
Nur als Markus Scherer Fuat Yildiz mit 14:0 entzaubert hatte, hofften die Pfälzer ein klein wenig auf ein Resultat, das ihnen am kommenden Freitag beim Rückkampf noch eine Chance gelassen hätte. Da sich aber Ludwig Schneider von dem aus der CSFR stammenden Jozef Lohyna klar niederringen ließ und drei Punkte abgab, gestaltete sich das Finale zur frustrierenden Aufholjagd. Nur Haare ziehen, wie es die gerissene achtjährige Hanna vorschlug, hätte dem VfS jetzt noch genutzt. Auch Laszlo Mikloschs Punktsieg über Jürgen Scheibe und Bogdan Daras' Passivitätssieg gegen Armin Rachor änderten daran nichts. Dabei hatte Miklosch, der sich noch Hoffnungen auf Barcelona macht, schon mit 1:4 zurückgelegen und seiner Staffel wieder etwas Moral gegeben, als er nach der Pause noch ein 5:4 erkämpfte.
So stand es vor dem Fight des Schifferstädter Armeniers Athour Alexanian gegen den deutsch-türkischen Weltmeister Rifat Yildiz 9:7,5 für die Gäste. Erwartungsgemäß rang der Goldbacher eiligst davon, ließ dann jedoch spaßeshalber etwas lockerer, um nach der Pause schier zu explodieren. Nun lag die Hoffnung der Schifferstädter auf Beheit Selimoglu, der erst im Laufe der Runde auf Anraten seines Landsmanns Rami Harunoglu, der 1990 mit dem VfK deutscher Meister geworden war, in die Pfalz wechselte. Ein 4:3 wie vor zwei Jahren Kumpel Harunoglu hatte auch Selimoglu schon sicher, als ihn plötzlich der Hafer stach: Es überkam ihn völlig unvermittelt „die Lust am Ringen“ (Goldbachs Trainer Weissenberger), was ihn dazu bewog, ohne Not derart viel zu riskieren, daß aus einer sichergeglaubten 2:0- eine 0:2-Wertung wurde. Das Schifferstädter Debakel vervollständigte schließlich ein völlig demotivierter Claudio Passarelli, der sich von Mario Büttner völlig einwickeln ließ und sich derart gefesselt seinem finalen Schicksal ergab.
Wilfried Dietrich, der „Kran“ von Schifferstadt — extra zum Ereignis aus Südafrika angereist —, mußte live am Mattenrand erdulden, wie seine Nachfolger sämtliche Chancen auf ihren achten Meistertitel vergaben. So gewann der AC Goldbach in seinem neunzigsten Jahr den vierten Meistertitel und widerlegt endlich das hartnäckige Gerücht, einem ehemals gefürchteten bayerowarischen Fußballklub zu ähneln. Günter Rohrbacher-List
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