piwik no script img

Schein-Auseinandersetzung

■ betr.: "Argumente gegen rale Demokratie", taz vom 9.1.92

betr.: »Argumente gegen reale Demokratie« (Die Schwafel-Show »Gesehen« von Hans W.Poschen im Offenen TV-Kanal: Echte Berliner ohne Schnitt und Verstand),

taz vom 9.1.92

Ich habe die Sendung nicht gesehen, von der Klaus Nothnagel spricht. Soviel ich verstanden habe, handelt es sich nicht um eine Satire, sondern um eine Sendung, in der Berliner sich zur politischen Lage äußern. Am Ende seines Artikels resümiert Klaus Nothnagel, er habe nun »gewichtige Argumente gegen reale Demokratie« gehört. Soll das nun Satire sein?

Er hat die Sendung nicht bis zu Ende gesehen, hat »unter Aufbietung enormer Energien 16 von 60 Minuten durchgehalten [...]. Jedenfalls liefert er schon zu Beginn seines Artikels Beweise für eine Menschenfeindlichkeit, die ich erschreckend fand. Zum Beispiel nennt er die Diskussionsteilnehmer ohne Umschweife »Berliner Dumpfbolde«, beschreibt ihre Kleider als »grauenhafte Woolworth-Klamotten«, findet noch andere Entsetzlichkeiten, fühlt sich erinnert an »Neuköllner Eckkneipen-Deliranten«. »Fremdartige Menschen« sind das, leider gar nicht der »pfiffige Proletarier«, von dem man beliebte zu träumen. Den Berliner Dialekt führt Klaus Nothnagel an wie einen Beleg für geistigen Schwachsinn.

Ich stimme mit dem Autor in dem Entsetzen über das geistige Niveau in unserem Land überein. Diese Diagnose kann schon stellen, wer mit einigermaßen offenen Augen und Ohren U-Bahn fährt, wer auf Straßen Wortfetzen aufschnappt. Nicht einverstanden bin ich mit der Art und Weise in der er diese Auseinandersetzung führt, die nur eine Schein-Auseinandersetzung ist, da sie sich nicht an diese Menschen wendet, sondern nur von einem Sockel herab ihnen jede Menschenwürde abspricht. Und nebenbei: auch von Leuten mit ganz anderem Soziolekt habe ich die Forderung nach der »Mauer« gehört (»Aber höher, dicker«). [...] Sabine Neumann, Berlin 30

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen