: Datenschutz auf miesem Niveau
■ Datenschutzbericht Baden-Württemberg: Personen mit Depressionen von der Polizei als „geisteskrank“ gespeichert
Stuttgart (ap/afp) — Die baden- württembergische Polizei hat in ihrem Informationssystem PAD etwa 1.300 der insgesamt 840.000 registrierten Personen mit dem Hinweis „geisteskrank“ gespeichert. Diese Praxis deckte die Stuttgarter Datenschutzbeauftragte Ruth Leuze auf, die am Montag ihren Jahresbericht 1991 vorlegte. Frau Leuze warf der Polizei vor, das „stigmatisierende Merkmal geisteskrank“ zu schnell zu vergeben und sich dabei in vielen Fällen nur auf die Angaben von Angehörigen oder Zeugen statt auf ärztliche Belege zu stützen. Wer selbstmordgefährdet sei oder zu Depressionen neige, gehöre „ganz sicher nicht“ in die polizeiliche Datei.
In ihrem 200 Seiten umfassenden Tätigkeitsbericht vertrat Frau Leuze die Auffassung, daß das Datenschutzrecht im Südwesten auf einem „sehr bescheidenen Niveau“ rangiert. Enttäuscht zeigte sie sich vor allem über das im vergangenen Jahr vom Landtag verabschiedete neue Datenschutzgesetz. Infolge einer „unheilvollen Allianz aus Ängstlichkeit und Perfektionismus habe Baden-Württemberg ein höchst kompliziertes, schwerverständliches Gesetz“ erhalten, kritisierte sie.
Bedenken äußerte die Datenschützerin auch gegenüber dem neuen Polizeigesetz. Es diene allenfalls dazu, die bisherige Polizeipraxis der Informationsbeschaffung zu legalisieren. Es sei auch „mehr als bedenklich“, daß das neue Gesetz tiefe Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht völlig Unverdächtiger zulasse. Den Betroffenen werde ein angemessener Rechtsschutz verwehrt, denn Richter seien an solchen Entscheidungen nicht beteiligt. Nach Ansicht des Innenministeriums sei das nicht nötig, da die Polizei „die größere Sachkunde“ habe und Vertrauen verdiene. So könne jedoch „nahezu jede gerichtliche Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen in Frage gestellt werden“. Ganz anders als in der Öffentlichkeit dargestellt, beschränke sich die heimliche Datenerhebung auch nicht auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Die Schwelle für den Einsatz von Wanzen, Peilsendern und versteckten Kameras sei zu nieder angesetzt. Inzwischen seien sogar Straftäter bei der Strafverfolgung in ihren Rechten besser geschützt als Personen, gegen die kein Tatverdacht besteht: Dies ermöglichten die neuen und weitreichenden Befugnisse der Polizei bei der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten.
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