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Wie ein alter Staubsauger im freien Fall

■ Viel Small Talk und andere „Malheurs“: Das Fernsehen des MDR schusselt sich so zurecht

Wer wollte es ihm verdenken, das Geburtstagspräsent. Furchtbar gern hätte der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) gelegentlich in einer Talk- Show im Schwarzen Kanal geplätschert. Doch es blieb beim Schlag in den Tümpel. Karl Ede hatte keine Zeit. Oder keine Lust. Oder keinen Kamm. Jedenfalls sagte er ab. Das ist auch schon alles, was sich vom Talk- Einstand des mitteldeutschen DFF- Nachfolgers berichten läßt.

Freitag nun, eh es gar nichts zu plauschen gab, lieh sich der MDR gleich die ganze Show. Vom NDR. Ja, wirklich aufregend, die Runde. Ein Zauberer gestand, daß alles nur Trick ist. Ein Volkskundlerin plauderte über Feiern im allgemeinen und Betriebsjubiläen im besonderen. Schon kurz nach der Erfindung der Dampfmaschine begannen deutsche Unternehmen, ihre Jubilare mit güldenen Sprungdeckeluhren zu erfreuen und bei der Stange zu halten. Hannes Wader sang. Lotti Huber wie immer. Fritjof Meyer durfte beim 'Spiegel‘ schreiben, was er wollte. Und mit der GUS wird es so schlimm nicht werden.

Dagegen ist Malheur durch Risiko doch mitten aus dem Leben gefischt. Vor Jahrzehnten gab es im Rundfunk der DDR einen Spaßvogel, der mit einem Tonband unterm Hemd konspirativ ins Leben stieg und plötzlich im Donnerstagfrühprogramm für die müden Werktätigen eine Verkäuferin nach einem Sieb für zwölf Personen fragte oder nach Tassen für Linkshänder. Irgendwann fiel das Programmteil weg, ich glaube, als mal eben Siebe knapp waren. Der Malheur-Moderator des MDR stapelt, dabei feixt er wie ein Konfirmand nach dem dritten Schnaps, viele MDR-farbene, d.h. nationalfarbene Bauklötzer in die Höhe. Bis der Turm kippt. Nach dieser theoretischen Vorleistung klingelt er, die Kamera immer in der Hinterhand, zum Beispiel bei Frau Schell in Dresden-Gorbitz. Frau Schell hat sich bereit erklärt, ihren Staubsauger aus dem Fenster zu werfen. Die Kinder schlafen schon. Schade, die hätten bestimmt gerne gelernt, wie man ohne Schrankwände und Schulranzen auch viel besser zurechtkäme. Frau Schell schließt den Sauger ans Netz. Sie drückt auf die Tube. Das Gerät heult. „Funktioniert“, flüstern beide in die Kamera. Frau Schell rafft erst das Kabel, dann die Gardine, sie zerrt am Fenster, sie wirft. Hübsch, wie der Sauger segelt. Der Gorbitzer Lehm ist hart. Schells Reinigungsgerät zerschellt. Lautlos. Der MDR-Malheur-Moderator macht sich vor Freude und wirklich überzeugend fast in die Hosen. Nein aber auch, diese netten Leute in Gorbitz. Frau Schell erhält einen neuen Staubsauger, und eine Mikrowelle legt der MDR obendrauf. Die soll sich linksrum drehen, im freien Fall.

Mit dem Espresso zum Wochenstart war es auch nur kalter Kaffee. Obwohl, und sicher nicht zum letzten Mal, die „Mauer im Kopf“ freizulegen war. Die Moderatoren erinnern diesmal sachte an Margot Ebert und Heinz, den Quermann. Aber die beiden hatten ja Zwischen Frühstück und Gänsebraten zugesichert, es wäre das letzte Mal. Es war auch nur so ein Gefühl. Vor der MDR-Kamera hat bereits die Frage: „Ist das, was ich empfinde, übertrieben?“ tiefe Wunden in den Beton gepickert. Zweifel, ob nun oder ob nicht die De-Mark uns alle erlöst hat, halten ihr Standbein mitten im Raum. Die Darmstädter Schriftstellerin Gabriele Wohmann gibt eben ihren elften Versuch auf, trotz des aufgeregten Geschnatters ihrer Tischrunde einen vollständigen Satz loszuwerden. Da flattert das Bild kurz. Und ist weg. „Bitte etwas Geduld.“ Wegen einer Störung im Bereich Gera müsse die Talk-Show leider an dieser Stelle abgebrochen werden. Statt der Mauer kam Die Frau in Rot ins Mitteldeutsche. Dort sagte ein Mann: „Niemals habe ich mich zweimal umgedreht, wenn ein hübsches Mädchen vorbeiging!“ Der Arme! Detlef Krell

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