: Pipelinebau statt Preispolitik
Ruhrgas-Tochter lenkt im Streit um den Ost-Gaspreis ein/ Jetzt mit Pipelines gegen BASF-Enkelin ■ Von Donata Riedel
Leipzig/Berlin (taz) — Die Essener Ruhrgas AG will offensichtlich einer Auseinandersetzung mit dem Bundeskartellamt aus dem Weg gehen. Die ostdeutsche Verbundnetz Gas AG (VNG), zu 35 Prozent im Eigentum des West-Gasmonopolisten, hat jetzt brav 43,1 Millionen DM an die Wintershall Erdgas Handelshaus GmbH (WIEH) für Erdgaslieferungen aus der Sowjetunion überwiesen. Das teilte eine VNG-Sprecherin gestern gegenüber der Presseagentur 'dpa‘ mit. Die Summe habe man nach dem Kompromißvorschlag des Bundeskartellamtes berechnet, das im Streit der westdeutschen Gasgiganten eine Ausgleichsformel festgelegt hatte.
Die WIEH, eine Tochtergesellschaft der BASF-Tochter Wintershall, verlangte von der VNG allerdings deutlich mehr Geld, nämlich 150 bis 160 Millionen DM, für ihre Lieferungen seit Januar 1991. Für das Sowjetgas berechnet die WIEH einen Kubikmeterpreis von 1,94 Pfennig. VNG zahlte bisher jedoch nur 1,66 Pfennig, den nach Angaben des sächsischen Unternehmens international üblichen Preis. Im Dezember wollte die WIEH der VNG deshalb den Gashahn zudrehen. Das allerdings wurde der BASF-Enkelin vom Kreisgericht Leipzig-Stadt durch eine einstweilige Verfügung untersagt, die bis 31. März 1991 gilt. Das Gericht wollte so verhindern, daß Wintershall seine Preisvorstellungen mit Lieferstopps durchsetzt.
Bei dem Streit zwischen der BASF-Enkelin und der Ruhrgastochter geht es allerdings nur vordergründig um den Preis. Wer erobert den Ostmarkt? lautet die eigentliche Frage. Mit Erdgas, bei dessen Verbrennung weniger klimagefährdendes Kohlendioxid in die Atmoshäre gelangt als bei Kohle oder Öl, wird in den alten Bundesländern inzwischen jede dritte Wohnung geheizt. In der ehemaligen DDR, wo heute hauptsächlich schwefelhaltige Braunkohle verfeuert wird, rechnen Fachleute in den nächsten Jahren mit einem Boom für den umweltfreundlicheren Energieträger. Der Verbrauch soll nach den Prognosen von 9,5 Milliarden auf 20 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2000 ansteigen.
Der Schlüssel zu diesem Geschäft ist die ostdeutsche VNG, der das Gasleitungsnetz der neuen Länder gehört und die seit jeher das sowjetische Gas an Kommunen und Industrie verteilt hat.
Die Ruhrgas, die den westdeutschen Erdgasmarkt mit 70 Prozent dominiert, sicherte sich frühzeitig 35 Prozent an der VNG. Eine ihrer Aktionärinnen, die BEB-Erdgas- und Erdöl GmbH, kaufte weitere 10 Prozent. Je 5 Prozent halten die ebenfalls zum Ruhrgas-Block zählenden Erdöl-Erdgas Gommern und die norwegische Statoil. Bei der BASF- Erdgastochter Wintershall schrillten die Alarmglocken, die WIEH wurde gegründet. Sie konnte zusammen mit ihrem russischen Partner Gasprom und der Geschäftsfreundin Elf Aquitane der Treuhand eine Sperrminorität von 25 Prozent plus einer Aktie abhandeln. Dadurch hat sie sich zwar einen Posten im VNG-Aufsichtsrat gesichert, aber noch keinen Zugang zum ostdeutschen Leitungsnetz.
Dafür besitzt die WIEH im Joint- venture (50:50) mit der russischen Gasprom die Kontrolle über den Gashahn der Pipeline an der CSFR- Ostgrenze und damit auch über den Preis. Und der liegt nach Auffassung des Bundeskartellamts deutlich über dem Marktpreis. Die VNG zahlt allerdings unter Marktwert: Die 1,66 Pfennig pro Kubikmeter stammen aus Altverträgen aus dem Noch- DDR-Jahr 1986. Die Wettbewerbshüter schlugen deshalb vor, daß die VNG genausoviel zahlen solle wie die Ruhrgas für das gleiche Erdgas, das über andere Pipelines direkt in den Westen geliefert wird.
Diesen Kompromiß scheint die Ruhrgas-VNG inzwischen zu akzeptieren. Dafür hat sie jetzt einen neuen Trumpf gegen die BASF-Wintershall-WIEH ausgespielt. Ihre Partnerin BEB meldete die Fertigstellung eines 19-Kilometer-Rohres aus dem Westen zur VNG, durch das täglich zwei Millionen Kubikmeter Gas fließen können. Dieses Rohr ist das erste Teilstück einer 165-Kilometer-Pipeline, mit der das VNG-Netz bis zum nächsten Winter an das Westverbundnetz angekoppelt werden soll.
Guckt also WIEH in die Röhre? Nicht unbedingt: Auch die WIEH baut eifrig — an der Gasferntrasse Stegal. Entlang dieser Trasse soll sie laut 'Süddeutsche Zeitung‘ schon fleißig Großkunden aus Industrie und Kommunen umwerben. Mit Preisen übrigens, die deutlich unter dem VNG-Preis liegen sollen.
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