: Statistenstreik in Frankfurt
Der neue Frankfurter Intendant Peter Eschberg versucht, was jeder Intendant versuchen sollte: im Schauspiel zu haushalten. Nun spart er, wo er glaubt, den geringsten Widerstand zu erfahren: bei den Theaterchargen, Statisten, den stummen Rollen, die in Hans Hollmanns Inszenierung Rottkäppchen und der Wolf (wir berichteten) vier Stunden lang wie angewurzelt dastehen müssen — sie „spielen“ Bäume —, aus Bühnenlöchern stieren und bei Eiseskälte draußen vor dem Fenster Prospekte balancieren.
Vier Stunden Arbeit im Rampenlicht für 30DM, mit einer Stunde Schminken vorab, also fünf Stunden: macht einen Stundenlohn von sechs Mark.
Das mag üblich sein, darf der Jungstatist doch behaupten, er könne heute keine Hausaufgaben machen, da er gleich Vorstellung hat. Darauf setzt Eschberg. Die Statisten, die zum Teil seit Jahren am Frankfurter Schauspiel beschäftigt sind, sehen das anders. Sie sagen, ein Auftritt sei eine vollwertige Arbeitsleistung. Am 30.Dezember streikten sie um angemessene Entlohnung. Beschwichtigende Versprechungen wurden gemacht, die Premiere fand statt. Danach wurden die 25 Statisten kurzerhand der Tür verwiesen. Über den Hessischen Rundfunk fand man kurzfristig andere: junge Statisten, die lieber Theater als Hausaufgaben machen. Vergnügt spielen seither Streikbrecher die Chargen.
Die an ihren Forderungen gescheiterten stummen Diener wollen nun vors Arbeitsgericht. Von ihrem künstlerischen Direktor Klaus Naseband seien ihnen 80DM pro Abend versprochen worden, für schwierige Parts sogar 100DM. Auch bei der Entlohnung für die Probezeit fühlen sie sich übers Ohr gehauen. Sie fordern rückwirkend für eine dreistündige Probe 35Mark (statt 25DM) plus zwölf Mark (statt fünf) für jede weitere Stunde. Da das Haus Zusagen gegeben hat, können die Entlassenen auf das geforderte Geld hoffen. Nachahmer werden sich wohl kaum finden. So mancher würde sich vor lauter Theaterglück auch so ins Rampenlicht stellen. Arnd Wesemann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen