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Deutsche Hilfe für Iraks Atombombe

Die taz nennt bundesdeutsche Firmen, die für das irakische Atomwaffenprogramm gearbeitet haben/ H&H Metallform aus Drensteinfurt am schwersten belastet/ Ermittlungen eingeleitet  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Deutsche Firmen stecken tief im irakischen Atomsumpf. Nach Bekanntwerden der bundesdeutschen Zulieferungen zum irakischen Atomwaffenprogramm war gestern noch unklar, gegen wie viele bundesdeutsche Unternehmen in diesem Zusammenhang ermittelt wird beziehungsweise bereits ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Die Bundesregierung lehnte es mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen ab, die Namen der involvierten Firmen zu nennen oder andere Einzelheiten zum Strand des Verfahrens bekanntzugeben. Nach Informationen der taz wurde zumindest ein Strafverfahren gegen die Firmen H&H Metallform Maschinenbau und Vertriebs GmbH in Drensteinfurt sowie gegen die Karl Kolb AG in Darmstadt eingeleitet.

Nach Auskunft des Bundeswirtschaftministeriums gab es im Dezember 1991 Ermittlungsverfahren gegen sechzehn bundesdeutsche Firmen. Ein Inspektionsteam der „Internationalen Atomenergieorganisation“ (IAEO) hatte nach seiner letzten Reise in den Irak Mitte Dezember acht bundesdeutsche Unternehmen als Zulieferer zum irakischen Atomwaffenprogramm aufgelistet.

In Bonn hieß es gestern, von den Ermittlungen zu den Lieferungen für die irakische Atomanreicherungsanlage seien „etwa fünf“ oder sechs bundesdeutsche Firmen betroffen.

Bei den Ermittlern gilt die H&H Metallform als das am schwersten belastete Unternehmen — sozusagen als „Spinne im Netz“ des breit angelegten Unterstützungsprogramms für die irakische Atomwaffenproduktion. Die Firma soll nicht nur eigene Produkte geliefert und Mitarbeiter abgestellt haben, sondern der Führung in Bagdad auch wertvolle Hinweise auf andere Firmen und Wissenschaftler gegeben haben.

Die anderen bundesdeutschen Firmen auf der IAEO-Liste: Neue Magdeburger Werkzeugmaschinenfabrik GmbH; Degussa; Acomel GmbH und Co. KG.; Dr. Reutlinger und Söhne KG; Arthur Pfeiffer Vakuum Technik GmbH; Nupro, VAT AG; Balzer AG.

Bei diesen Unternehmen schließt die IAEO nicht aus, daß sie möglicherweise Produkte für zivilen und militärischen Gebrauch („dual use“) geliefert haben. Eventuell hätten sie auch nicht direkt in den Irak, sondern an Zwischenhändler exportiert. In Bonn wird nicht ausgeschlossen, daß ein Teil dieser Exporte mit ausdrücklicher Genehmigung durch die zuständigen bundesdeutschen Behörden erfolgten. Im Fall der fünf oder sechs im Zusammenhang mit den Lieferungen für die Unrananreicherungsanlage erwähnten Firmen geht das Außenministerium jedoch davon aus, daß „dieses zum überwiegenden Teil illegale Exporte waren“. Darauf deute auch die Tatsache hin, daß in diesen Fällen „Strafverfahren eingeleitet wurden“.

Kompliziert ist die Angelegenheit im Fall der auch auf der IAEO-Liste aufgeführten deutschen Firma Leybold Heraeus AG, die inzwischen von der Degussa aufgekauft wurde. Hier liegt eine Ausfuhrgenemigung des US-Handelsministeriums für die amerikanische Leybold-Tochter vom Dezember 1987 vor. Darin wird ausdrücklich die Lieferung in den Irak auch für den militärischen Bereich gestattet — allerdings nicht für die Atomwaffenherstellung, wie die US-Regierung jetzt nachträglich erklärt.

In Bonn hält man diesen Rechtfertigungsversuch Washingtons für „Haarspalterei“ — gerade auch vor dem Hintergrund der heftigen Vorwürfe aus den letzten Jahren wegen bundesdeutscher Exporte für die Produktion von Massenvernichtungsmitteln in andere Staaten. Außen- wie Finanzministerium betonten gestern, daß die Bundesregierung bisher als einzige der UNO-Kommission Unterlagen über vermutete Firmenlieferungen zur Verfügung gestellt habe. Die Kommission will das in ihrem Bericht an den UNO-Sicherheitsrat auch lobend hervorheben.

Es gibt allerdings bestimmte Hinweise, wonach die neue Mutterfirma von Leybold Heraeus AG, die bundesdeutsche Degussa, nach der erfolgten Lieferung aus den USA noch wichtige Einzelteile nachlieferte, die die aus den USA ausgeführten Produkte für die Atomwaffenproduktion erst tauglich machten.

Ein Konflikt bahnt sich möglicherweise auch über die vermutete Beteiligung einer anderen bundesdeutschen Firma am irakischen Atomwaffenprogramm an. Die UNO-Inspektoren haben festgestellt, daß der Irak in seiner Urananreicherungsanlage auch eine zum Druckausgleich bestimmte Kohlenfaseranlage besaß. Nach Einschätzung britischer Mitglieder der UNO- Kommission gibt es auf der ganzen Welt nur eine einzige Firma, die bislang eine solche Anlage gebaut hat: die bundesdeutsche MAN. Gegen sie wird nach Informationen der taz jedoch bislang nicht ermittelt.

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