KOMMENTARE: Hoffnung für El Salvador
■ Die FMLN muß jetzt ein realistisches Programm erarbeiten
Der von einer kriegsmüden Bevölkerung schon so lange ersehnte Friede steht jetzt in El Salvador endlich vor der Tür. Das Ende des Kalten Krieges, die Konzessionsbereitschaft einer immer moderateren Guerillaführung und einer Regierung, die von ihrem wichtigsten Geldgeber unter Druck gesetzt wurde, die erwiesene Aussichtslosigkeit einer militärischen Lösung und nicht zuletzt der beharrliche unbewaffnete Kampf von Kirchen und Volksorganisationen haben diesen Triumph des Friedens ermöglicht.
Auf dem Papier des mehr als 80 Seiten starken Vertragswerkes sind die grundlegenden Probleme, über die zwei Jahre lang in endlosen Dialogrunden diskutiert wurde, ansatzweise gelöst. Jetzt geht es darum, eine jahrzehntealte Tradition des Militarismus, der Arroganz und der Willkür der Mächtigen, der Korruption und der Autoritätshörigkeit zu brechen. Die Militärs haben nicht aus Einsicht in die Richtigkeit der Forderungen der Aufständischen nachgegeben, sondern weil die USA ihnen mit der Suspendierung der Waffenhilfe drohten. Die Generationen von Rekruten eingedrillte Killermentalität, der Haß gegenüber dem vermeintlichen Feind, können durch ein oberflächliches Umerziehungsprogramm nicht ausgetilgt werden. Und für die Guerilleros, von denen viele mit der Waffe in der Hand aufgewachsen sind, wird die Umstellung auf den rein politischen Kampf nicht einfach werden. Rückschläge sind vorprogrammiert. Von gezielten Sabotageakten der Rechtsextremisten, für die jede Lösung unterhalb der totalen Liquidierung der Linken Verrat ist, einmal ganz abgesehen.
Doch die größte Herausforderung für die bevorstehende Umgestaltung El Salvadors liegt in der Wirtschaft. Das Abkommen geht auf ökonomische Aspekte nur punktuell ein. Bis heute haben FMLN und Volksorganisationen kein ausgearbeitetes Wirtschaftsprogramm, das sie der neoliberalen Politik der unternehmerfreundlichen Regierung entgegensetzen könnten, geschweige denn Garantien, daß seine Grundlinie berücksichtigt würde. Beraterstäbe der Sandinisten und selbst europäische Ökonomen arbeiten fieberhaft an einem Konzept, das der Oligarchie entgegengehalten werden kann, wenn es nach dem 1. Februar an die „politische und soziale Konzertierung“ aller relevanten Gruppen geht. Nur wenn die Linke dort mit soliden Argumenten und realistischen Vorschlägen auftritt, kann sich an der traditionellen, von der rechten Oligarchie dominierten Wirtschaftsstruktur, die vor 20 Jahren zum Entstehen der Guerilla geführt hat, wirklich etwas ändern. Ralf Leonhard
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen