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Drastische Verarmung

■ In Rumänien ist bereits jeder Zehnte arbeitslos

Bukarest (taz) — Nach nur zwei Monaten Amtszeit hatte Theodor Stolojan, rumänischer Ministerpräsident, bereits alle Illusionen verloren. Die Wirtschaft des Landes, erklärte er, sei in den letzten beiden Jahren noch mehr den Bach heruntergegangen. Es würde mindestens 15 Jahre dauern, bis sie sich dem westeuropäischen Niveau nähere. Die düstere Beschreibung war zwar als Seitenhieb gegen den im vergangenen September zurückgetretenen Ministerpräsidenten Petre Roman gedacht, dennoch bescheinigen Stolojan alle Fachleute, daß er recht hat. Gut zwei Jahre nach dem Sturz des Diktators Nicolae Ceausescu gehört Rumänien zusammen mit Bulgarien und Albanien zu den drei ärmsten Länder Europas.

Seit 1989 sank die Produktion um über 30 Prozent; die Inflation betrug im vergangenen Jahr mehr als 300 Prozent. Die offiziellen Arbeitlosenzahlen notierten Anfang November 320.000 Erwerbslose— doch diese Zahlen sind geschönt. Unabhängige Schätzungen gehen von rund 800.000 Arbeitslosen aus, danach ist jeder Zehnte ohne Job. Bis zu 1,2 Millionen dürften es sogar in diesem Frühjahr sein, denn immer mehr Betriebe müssen schließen, weil ihr Energiebedarf nicht mehr gedeckt werden kann. Der monatliche Durchschnittslohn beträgt derzeit 8.000 bis 10.000 Lei (rund 40 bis 50 Mark), Renten und die auf sechs Monate befristete Arbeitslosenunterstützung, die lediglich 190.000 Menschen erhalten, liegen bei 3.000 bis 6.000 Lei. Subventioniert werden nur noch wenige Grundnahrungsmittel. Auf dem freien Markt kostet ein Brot 70 bis 80 Lei; Wurst, Butter, Schnittkäse, Kaffee und Tee sind auch hier kaum zu haben. Die Preise klettern täglich. Für ein Kilo Zwiebeln zahlt man 130 Lei, für ein Kilo schlechter türkischer Importkartoffeln 100Lei. Rumäniens eigene Kartoffelernte ist im letzten Jahr größtenteils verfault, und der Mais steht vielerorts jetzt noch auf den Feldern.

Eine baldige Verbesserung der ökonomischen Lage ist nicht zu erwarten. Die Regierung hofft darauf, daß der Westen angesichts der drastischen Verarmung doch noch Milliardenhilfen bewilligt. Ansonsten beschränkt sich die Regierungstätigkeit darauf, für die Misere „faschistische Saboteure“ verantwortlich zu machen und von Zeit zu Zeit Kampagnen gegen die Roma-Minderheit oder gegen die zwei Millionen im Lande lebenden Ungarn zu inszenieren. Keno Verseck

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