piwik no script img

Ukraine will keine gemeinsamen GUS-Streitkräfte bilden

Moskau (dpa) — Der ukrainische Präsident Leonid Krawtschuk hat den kommissarischen Oberbefehlshaber der früheren Sowjetarmee, Marschall Jewgeni Schaposchnikow, scharf angegriffen. Wieder einmal ging es um dessen Forderung nach vereinten Streitkräften in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). In einem Gespräch mit Journalisten, das gestern im russischen Fernsehen übertragen wurde, nannte Krawtschuk die Haltung Schaposchnikows inkonsequent. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie elf unabhängige Staaten eine einheitliche Armee haben können“, sagte er. Schaposchnikow hatte nach dem Moskauer Offizierstreffen in der Nacht zum Samstag von den Staatschefs gefordert, über die Zukunft der Streitkräfte „ernsthafter und ausgewogener“ zu beraten. Nach Ansicht Krawtschuks kann es jedoch nur in einem gemeinsamen Staat auch eine einheitliche Arme geben. „Die Idee einer vereinten Armee wird von Leuten gefordert, die von den alten Zeiten träumen.“ Zu seiner Abwesenheit auf dem Treffen der 5.000 Offiziere am Freitag in Moskau sagte er, die GUS-Staatschefs seien auf ihrem Gipfel am Vortag übereingekommen, sich von den Präsidenten Rußlands und Kasachstans, Boris Jelzin und Nursultan Nasarbajew, vertreten zu lassen. Er kritisierte die Direktübertragung des Offizierstreffens, die die allgemeine Lage nur verschärft habe. Die etwa 5.000 Offiziere hatten am Freitag an die Staatsführer und Parlamente der GUS-Staaten appelliert, den Zerfall der Streitkräfte nicht zuzulassen. Auf dem Höhepunkt der erregten Debatte forderte einer der Redner den Rücktritt von Schaposchnikow. Der Marschall verließ daraufhin verärgert den Saal mit den Worten: „Betrachten Sie das als meinen Rücktritt.“ Er kehrte erst nach einer Aufforderung der Versammlung wieder zurück. Die Offiziere betonten in ihrem Appell, daß die Armee „wegen der Ambitonen einiger Politiker nicht aufgeteilt werden will“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen