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Gar keine Funken, Johnny!

■ „Happy End“ in Bremerhaven: schon Brecht mochte sein Stück nicht leiden

Als sich Bertold Brecht 1929 weigerte, seinen Namen unter das von ihm mitverantwortete Stück „Happy End“ zu setzen, dürfte er gewußt haben, warum. „Happy End“ war die Nachfolgeproduktion des mit der „Dreigroschenoper“ erfolgreichen Autorengespanns Brecht/Weill. „Happy

„Arschkomiker, Mißgeburt!“, schrie Brecht, und der Hauptdarsteller giftete zurück: “Sie hätten ein Stück schreiben sollen, anstatt sich auszuscheißen!“

End“ wurde - mit Ausnahme einiger Songs — ein fader zweiter Aufguß. Inzwischen wird er Brechts Mitarbeiterin Elisabeth Hauptmann zugeschrieben. Brecht gilt als Ideenlieferant und Autor der Liedtexte; das bekanntest und schönste ist das „Lied vom Surabaya-Johnny“.

Ernst Aufricht, damals Direktor des Theaters am Schiffbauerdamm, berichtet von einem überreizten Brecht, der während der Schlußproben den Hauptdarsteller mit „Arschkomiker“ und „Mißgeburt“ angeschrien habe. Der giftete zurück: „Sie hätten ein Stück schreiben sollen, anstatt sich hier auf der Bühne auszuscheißen!“

„Happy End“ erzählt von einem kleinen Gangstersyndikat in Chicago, das sich — im dritten Akt — mit der Heilsarmee zusammentut. Ausschlaggebend für diese Wendung ist die blinde Liebe der uniformierten Predigerin Lilian Holiday für Bill Cracker, den Vize-Chef der Bande. Seine Chefin findet ihren verlorengegangenen Ehemann in der Uniform eines Generals der Heilsarmee wieder. Das Stück war schon bei der Uraufführung ein Flop. Aufricht berichtet, er habe 130.000 Mark verloren.

Nachzulesen sind diese Geschichten im durchaus informativen Programmheft zur „Happy- End“-Inszenierung des Stadttheaters Bremerhaven, die aus der angestaubten Fabel trotz allerlei Tingeltangel auf der Bühne keine Funken schlagen kann. Die Inszenierung des Oberspielleiters Manfred Repp ist auf 20er-Jahre- Nostalgie angelegt, aber das Ergebnis sind zwei leere und langatmige Stunden, in denen selbst Kay Krause als spielerisch und gesanglich überzeugender Bill Cracker nur mühsam etwas etwas Tempo und Witz hineinlegen kann.

Susanne Schwan als Leutnant der Heilsarmee singt vom „Surabaya-Jonny“ wie eine Tochter aus höherem Hause, die arme Lilian bleibt ohne ironisch-satrirische Zwischentöne, brav und bieder: Auf der krampfhaften Suche nach guter Unterhaltung greift man auf zweitklassige Stücke zurück, um sie effekthascherisch mit Lichterkette, Neonleuchten, einigen Verrenkungen von Hüften und Beinen vergeblich aufzublasen.

Das verunsicherte und auch gelangweilte Publikum reagierte am Ende auf den musikalischen Abspann zum Mitklatschen wie gewünscht: Es klatschte mit. Aber damit lügt man es sich nur in die eigene Tasche. Hans Happel

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