: Militärs im Kongo setzen die Regierung ab
■ Wachsende Kritik an der Übergangsregierung von Ministerpräsident Milongo führte zur Allianz zwischen Armee und enttäuschten Demokraten
Berlin (taz) — Einheiten der Streitkräfte haben in der Nacht zum Montag offenbar die Regierung der Republik Kongo gestürzt. Nach Rundfunkberichten erklärte das militärische Oberkommando den Ministerpräsidenten Andre Milongo für abgesetzt und verhängte eine nächtliche Ausgangssperre über die Hauptstadt Brazzaville.
Anlaß für die Revolte der Militärs war Milongos Weigerung, den Staatssekretär im Verteidigungsministerium Michel Ganguo zu entlassen, der eine neue Armeespitze einsetzen wollte. Die Soldaten fordern statt dessen eine selbstbestimmte Erneuerung der Militärführung. Außerdem versichern sie, den Demokratisierungsprozeß zu unterstützen.
Dies mag paradox erscheinen, da die Demokratisierung einer jahrzehntelangen Militärdiktatur ein Ende gesetzt hat. Bis 1991 war Kongo eine Volksrepublik, regiert von einer marxistisch-leninistischen Einheitspartei unter maßgeblicher Führung der Armee. Nach politischen Unruhen im Herbst 1990 berief Staatspräsident Denis Sassou- Nguesso im Februar 1991 eine Nationalkonferenz ein, die am 10. Juni schließlich in einer feierlichen „Zeremonie des Händewaschens“ die Volksrepublik auflöste und neue demokratische Institutionen ins Leben rief. Im Juni dieses Jahres sollen erstmals freie Wahlen stattfinden.
Doch hat diese kleine Revolution nicht nur Demokratie gebracht, sondern auch ein Wiederaufleben des Tribalismus. Die seit 1969 herrschenden Militärs und ihre Cliquen kamen alle aus dem ländlichen Norden Kongos — die neue Koalitionsregierung unter Andre Milongo stützt sich hauptsächlich auf den Süden des Landes um Brazzaville.
Die Spaltung reicht weit in die Geschichte zurück. Schon vor Jahrhunderten verkauften einheimische Königreiche an der Küste die Bevölkerungen des Landesinneren an europäische Sklavenhändler. Während der französischen Kolonialherrschaft entvölkerte ein besonders brutales Zwangsarbeitsregime die Region weiter. Noch heute hat Kongo auf 340.000 Quadratkilometern nur zwei Millionen Einwohner. Eine andere, für Afrika untypische Folge: Zwei Drittel der Bevölkerung leben in den Städten. So sahen sich die Militärdiktatoren der Vergangenheit immer einer kleinen, aber hochartikulierten städtischen Elite aus Intellektuellen und Gewerkschaftlern gegenüber.
Seit Juni 1991 ist nun diese Elite wieder an der Macht — doch zur nationalen Versöhnung trägt dies kaum bei. „Ich fürchte, wir werden tribalistisch und nachtragend“, sagt dazu Bischof Kombo, der als Held der Demokratisierung gilt. Er leitete 1991 die Nationalkonferenz und präsidiert jetzt das Übergangsparlament, den „Obersten Rat der Republik“. Die neuen Demokraten, organisiert im Parteienbündnis „Kräfte des Wandels“, machen ihm teilweise Angst: „Auf ihren Versammlungen geben sie der Lüge und der Beleidigung freien Raum, und damit riskieren sie, irreparable Zustände herbeizuführen.“
„Unsere Nationalkonferenz war ein Erfolgsmodell“, sagt auch Parteiführer Jean-Marie Tassora. „Aber wir haben die falschen Männer und Frauen für den Übergang bestimmt.“ Starker Mann des Übergangs ist Altpolitiker Bernard Kolelas, dessen tatsächliche Funktion im dunkeln liegt. Er war Generalsekretär des 1963 gestürzten ersten Präsidenten des Landes, Fulbert Youlou. Während der Militärdiktatur saß er zeitweilig im Gefängnis. Heute führt er, in bester afrikanischer Tradition, einen Geheimbund an, der seine Ursprünge bis zum Lemba-Königreich des 16.Jahrhunderts zurückverfolgt. Ihm wird vorgeworfen, eine Restauration der konservativen Herrschaft des katholischen Priesters Youlou zu betreiben. Er wiederum beschuldigt seine Kritiker der Zusammenarbeit mit den Kräften der Militärdiktatur.
Schon seit Monaten zeichnete sich ab, daß sich Teile des Militärs zusammen mit enttäuschten Demokraten wie Bischof Kombo gegen die Regierung stellen würden. Der gestrige Putsch ist Ausdruck dieser Allianz: Die Militärs haben Kombo aufgefordert, in seiner Funktion als Parlamentspräsident eine neue Regierung zu ernennen. D.J.
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