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Fließband zum Schafott

Sie müssen sterben, weil sie männlichen Geschlechts sind. Und das millionenfach, Jahr für Jahr. Nach einem kurzen Leben erleiden sie einen qualvollen Tod. Selbst der Bundestag hat sich schon mit ihrem Schicksal beschäftigt: Die Verfolgung aufgrund des Geschlechtes sei zwar ethisch fragwürdig, aber nichtsdestoweniger notwendig, meinten die Abgeordneten. Die Schwestern der millionenfach zum Tode Verdammten dagegen bekommen noch eine Gnadenfrist: Einige Monate dürfen sie leben, wenn auch nur hinter Gittern.

Männliche Küken sind in den Geflügelzucht-Betrieben einfach überflüssig. An die 20 Millionen der kleinen gelben Todeskandidaten werden pro Jahr maschinell ausgebrütet— nur um sie hinterher möglichst rasch wieder beiseite zu schaffen. Das muß bezeichnet werden als Sexismus auf der Basis von Rassismus, denn die potentiellen Hähnchen gehören der falschen Rasse an.

Die „Leghorn“-Rasse nämlich ist extra dafür gezüchtet, möglichst Hennen hervorzubringen, die viele Eier legen. Die männlichen „Leghorn“-Küken dagegen sind wirtschaftlich nicht zu gebrauchen — noch nicht einmal als Masthähnchen taugen sie.

Der Lebensweg der männlichen Küken ist kurz, aber leidensreich. Nur wenige Stunden verbringen sie außerhalb der schützenden Eierschale. In dieser Zeit allerdings hängen sie zusammen mit etwa 80.000 ihrer LeidensgenossInnen in einem engen, feuchten Brutapparat.

Kurz nachdem sie geschlüpft sind, müssen sich alle Küken in den Arsch gucken lassen. Dabei wird ihre Geschlecht festgestellt, was in der Fachsprache „aussexen“ heißt. Die Hähnchen werden aussortiert und landen auf einem Fließband, mit dem sie zur Hinrichtung fahren. Die Kontrolle vollziehen AsiatInnen — vornehmlich JapanerInnen und KoreanerInnen. Auch die sind Opfer des der Geflügelzucht innewohnenden Rassismus. „Es ist eine sture Beschäftigung, den Küken acht Stunden am Tag in den Hintern zu gucken“, begründet ein Geflügelzüchter diese Auswahl der Nationalität. „Japaner können diese Sturheit anscheinend aufbringen. Das muß an der Rasse liegen.“

Die Hähnchen kommen je nach Zuchtbetrieb auf zwei verschiedene Arten zu Tode. Variante eins: Kohlendioxid. Dabei fallen die Küken vom Fließband in eine mit dem Gas gefüllte Tonne, wo sie ersticken. Variante zwei: der Fleischwolf, auch Mörser genannt. In dieser Apparatur werden die Küken bei lebendigem Leibe zerhackt und zermahlen.

Damit die kleinen Hähnchen wenigstens nach ihrem Leben noch zu etwas nütze sind, werden sie schließlich zu Fleischmehl verarbeitet. Das wiederum wird in manch einer Legefabrik dem Futter der Legehennen beigemischt — ein eindeutiger Fall von erzwungenem Kannibalismus. Hannes Koch

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