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Selbstmitleid wegen der Mietgesetzgebung

■ Prozeßbeginn gegen Berliner Häuserspekulanten/ Veruntreuung von Millionen/ Von Erich Honeckers Anwälten vertreten

Berlin. Der 47jährige Berliner Häuserspekulant Gustav Sommer muß sich seit gestern in einem umfangreichen Strafverfahren wegen Untreue in Millionenhöhe, versuchten Betruges, Meineids und Falschaussage vor dem Landgericht verantworten. Sommer soll in Zivilprozessen, die Wohnungseigentümer gegen seine Verwaltungsgesellschaften führten, falsche Aussagen gemacht haben. Die Anklage geht ferner davon aus, daß er versucht haben soll, Gelder von Wohnungseigentümern einzutreiben, auf die er keinen Anspruch hatte, weil sie bereits durch Versicherungen beglichen wurden.

Sommer, von Erich Honeckers Anwälten Nicolas Becker und Wolfgang Ziegler vor Gericht vertreten, schweigt zum Teil zu den Vorwürfen. Die Veruntreuung des Millionenbetrages jedoch bestritt er zu Beginn seiner Vernehmung. Er verwahrte sich dagegen, eine ihm von einem Hauseigentümer als Sicherung für seine Tätigkeit als Verwalter eingeräumte Grundschuld in dieser Höhe absprachewidrig für einen privaten Spekulationskredit eingesetzt zu haben. Sommer stellte sich vielmehr selbst als der Betrogene dar, zumal er mit einem Verlust von 800.000 Mark aus der Geschäftsverbindung ausgeschieden sei.

Nach eigenen Angaben hat sich Sommer 1983 bereit erklärt, zwei völlig überschuldete Miethäuser des Hauseigentümers zu verwalten und aus der finanziellen Misere herauszuholen. Beim ersten Treffen habe man sich gegenseitig bemitleidet und über Probleme der Berliner Mietgesetzgebung unterhalten. Bei seiner Verwaltertätigkeit habe er erfolgreich Pfändungen abgewehrt, schließlich sogar aus eigener Tasche für Hypotheken und nicht eingezahlte Mieten mit 800.000 Mark zugebuttert. Zum Bruch sei es gekommen, als der Hauseigentümer statt Honorare zu zahlen, den Vertrag für unwirksam erklärte.

Der gelernte Schriftsetzer Gustav Sommer war seit den 70er Jahren im Zusammenhang mit Mietstreitigkeiten immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Zahlreiche Zivilprozesse wurden und werden noch heute geführt. Sommer selbst sagte vor Gericht, er habe seine rund 20 Häuser allesamt 1979 an die »Saphir KG« verkauft. Sie gehört zum größten Teil seiner Mutter. Dann widmete er sich dem Aktienhandel. dpa

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