Das Dorado teurer Altbauwohnungen

■ Die Mieten steigen und steigen/ Potentielle Mieter werden zu Spielbällen sadistischer Vermieter Eine für 1.000 Mark angebotene und bereits bezogene Wohnung soll plötzlich 2.800 kosten

Berlin. Klaus Sommerfeld wollte seine große Wohnung gegen eine kleine tauschen. Seine Vermieterin bot ihm eine Wohnung in Schöneberg zum Tausch an — für 1.000 Mark. Sommerfeld, damit einverstanden, zog schon mal ein, während in der Wohnung noch renoviert wurde. Allein, der schriftliche Mietvertrag fehlte. Als die Vermieterin den nachreichte, schlackerten Sommerfeld die Ohren: Er sollte nun plötzlich 2.800 Mark zahlen. Die alte Wohnung war inzwischen natürlich weg. West-Berlin ist längst nicht mehr das Dorado billiger Altbauwohnungen. Wer hierher zieht und keine Beziehungen hat, kann sein blaues Wunder erleben: Mieten von über 1.000 Mark sind die Regel, für größere Wohnungen muß man schon 2.000 bis 3.000 Mark hinlegen. Und es wird eher schlimmer: Galt bis zum Ende des Jahres die sogenannte Kappungsgrenze von 10 Prozent im Altbau, so dürfen nun bei Neuabschlüssen bis zu 20 Prozent, oft auch 50 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete genommen werden (siehe Kasten). Damit hat die Regierung eines der letzten Relikte der Mietpreisbindung abgeschafft.

Die Auswirkungen der neuerlichen Verschlechterung für Berliner MieterInnen sind noch nicht nachweisbar. Aber schon vorher hielten sich Vermieter nicht an die Kappungsgrenze: Um im Schnitt 40 Prozent werde bei Neuvermietungen der Mietspiegel überschritten, so der Geschäftsführer des Mietervereins, Hartmann Vetter. Ähnliches beobachtet auch die MieterGemeinschaft: »Wir haben vor allem Ärger mit Leuten, die ihr letztes Geld für eine Eigentumswohnung zusammengekratzt haben und jetzt über die Miete möglichst viel herausholen wollen«, berichtet Vorstand Gerhard Heß. Das hat auch Auswirkungen auf bestehende Mietverhältnisse: Nur Neuabschlüsse der letzten drei Jahre gehen in den Mietspiegel mit ein. Und je höher der Mietspiegel ist, desto eher kann die Miete auch im Bestand erhöht werden.

Nun können zwar die Wohnungsämter per Ordnungswidrigkeitsverfahren den Vermieter zur Mietsenkung zwingen, falls der eine überhöhte Miete nimmt. Dies ist jedoch graue Theorie: So hat das Bezirksamt Wilmersdorf kürzlich angekündigt, wegen Personalknappheit so etwas nicht mehr zu bearbeiten. Und auch Schöneberg pfeift auf dem letzten Loch: Dort sind in den letzten drei Jahren 269 Anzeigen wegen Mietpreisüberhöhung eingegangen, auf die hin bis jetzt erst 40 Bußgeldbescheide erteilt wurden. Da das Amt nur eine Sachbearbeiterin für diese Aufgabe hat, dauert es mittlerweile ein Jahr pro Fall. Die Baustadträte fordern dafür seit langem mehr Personal, allein, klagt der Schöneberger Baustadrat Uwe Saager (SPD), der Innensenator will nicht.

Für tüchtige Vermieter gibt es jedoch noch ganz andere Methoden, beim Abschluß eines Mietvertrages tüchtig zuzulangen, wie Saager gestern erzählte. Zum einen kann die Wohnung teilgewerblich vermietet werden. Das muß — im Gegensatz zur vollgewerblichen Nutzung — nicht vom Bezirksamt genehmigt werden, trotzdem darf die Miete weit höher sein als bei einer normalen Wohnung. Um dagegen anzugehen, plant der Bausenator, die Zweckentfremdungsverbotsverordnung zu novellieren. Allein, das dauert. Zum anderen dürfen Wohnungen in sog. Kerngebieten in der City ganz legal in Gewerbe umgenutzt werden. Dies grundsätzlich zu ändern berührte Bundesrecht. Und die Möglichkeiten der Bezirksverwaltung sind begrenzt. So will Saager im Kerngebiet um den Wittenbergplatz einen Bebauungsplan aufstellen, der eine 50prozentige Wohnnutzung vorschreibt. Aber das braucht Zeit und ist nicht für die ganze City machbar.

Mehr geschützt gegen Mietwucher sind die Mieter im Ostteil der Stadt. Hier herrscht — abgesehen von ganz wenigen freifinanzierten Neubauwohnungen, die nach dem 3.10.1990 fertiggestellt wurden — eine generelle Mietpreisbindung. Selbst Wohnungen, die von früheren DDR-Behörden vergleichsweise teuer an sogenannte »Devisenausländer« vermietet wurden, sind nach Ansicht des Berliner Mietervereins wieder in die Mietpreisbindung zurückgefallen. Allerdings gibt es auch im Ostteil Berlins schwarze Schafe. Dies sind zumeist MieterInnen, die ihre noch halbwegs preiswerte Altbauwohnung illegal und überteuert untervermieten. Droht der Untermieter, nur noch die reguläre Miete zu zahlen, so kann der »Obermieter« wegen angeblichen Eigenbedarfs kündigen — dies allerdings nur, wenn der Untermietsvertrag nach dem 3.10.1990 abgeschlossen wurde. Der Obermieter kann aber auf alle Fälle die Wohnung gegenüber dem Vermieter kündigen, dann steht der unbotmäßige Untermieter auf der Straße. Die Mieterorganisationen raten in solchen Fällen, sich vorher mit der Wohnungsbaugesellschaft in Verbindung zu setzen. Oft genug ist diese nämlich so kulant, die gekündigte Wohnung anschließend an den illegalen Untermieter zu geben, immerhin vorausgesetzt, die Wohnung ist nicht unangemessen groß und hat einen wenig nachgefragten Modernisierungsstandard. Denn die Gesellschaften ihrerseits haben Interesse daran, Schwarzmietverhältnisse zu legalisieren. Eva Schweitzer