: Aufbau im Osten: Diepgen testet Grenzen
■ Senat soll auch unorthodoxe Entscheidungen treffen/ 7.Wirtschaftsgespräch von Berliner Wirtschaft und Senat
Berlin. Um den Aufbau im Ostteil Berlins voranzubringen, wird der Senat bis an die Grenzen des rechtlich Möglichen gehen. Es müßten auch unorthodoxe Entscheidungen getroffen und »die Kritik von Rechnungshöfen in der Zukunft« riskiert werden, sagte der Regierende Bürgermeister Diepgen (CDU) gestern nach dem 7. Wirtschaftsgespräch von Wirtschaft und Senat. Er nannte als Beispiel die Freistellung der Wohnungsbau Kreditanstalt (WBK) im Zusammenhang mit 800 Bauanträgen. Die WBK konnte sie bisher nicht bearbeiten, weil die Eigentumsfragen nicht klar waren. Das übernommenen Risiko bedeute keine »hohe Größenordnung«, es handele sich mehr um ein »rechtlich- theoretisches Problem«. Man werde die Berliner Lösung den anderen neuen Bundesländern empfehlen.
Diepgen sprach sich für stabile Rahmenbedingungen aus, um den Produktionsstandsort Berlin sichern zu können. Er dankte den Unternehmen, daß sie den schnellen Abbau der Berlin-Förderung angenommen hätten. Außerdem kündigte er an, daß zusätzlich zu den 5.000 Hektar Gewerbeansiedlungsflächen 500 Hektar auch ohne endgültigen Flächennutzungsplan bereitgestellt würden.
Die Verwaltungsreform dürfe wegen der gewollten Vereinigung mit Brandenburg nicht verschoben werden, meinte Diepgen weiter. Sie müsse bis spätestens Anfang 1994 beendet sein. Die Bezirke müßten eigenes Interesse an Gewerbeansiedlungen und damit Gemeindeaufgaben bekommen. Wenn Berlin eine dezentrale Einheitsgemeinde sei, »müssen wir den kommunalen Teil gestalten«.
Der Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), Horst Kramp, verzeichnete in Details einen »Dissens«. Die Rahmenbedingungen wären schlechter als bisher und vermutlich auch unzuverlässiger. In dem »sehr farbigen Gespräch« hätten die Unternehmen ein »bißchen Ungeduld« bei der Umsetzung von Konzepten und Zulassungen gezeigt. Man habe sich deutlich für eine »Qualifizierung der Wirtschaftsförderung in Berlin« ausgesprochen.
Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) teilte mit, er sei bei der EG-Kommission vorstellig geworden, um ein neues Verfahren bei der alle fünf Jahre fälligen Erhöhung des Erbbauzinses für landeseigene Flächen zu erreichen. Zu dem Wirtschaftstag hatten sich 320 Vertreter aus Wirtschaft und Politik im Grand Hotel Esplanade eingefunden. Zur Veranstaltung wollen künftig Senat und Wirtschaft abwechselnd einladen. Der nächste Wirtschaftstag wird im Ostteil stattfinden, kündigte Kramp an. dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen