INTERVIEW: Symbole des Erinnerns
■ Eine taz-Rundfrage, Teil 5: Silvia Jastrzembski (PDS) zur »Pieck-Lubitsch-Straße«
taz: Frau Jastrzembski, mit den Stimmen Ihrer Partei beschloß die Bezirksversammlung Mitte im Mai 1991, die Wilhelm-Pieck-Straße nicht umzubenennen. Sind Sie also grundsätzlich gegen den Vorschlag, die Straße nach Ernst Lubitsch, der dort geboren ist, zu benennen?
Silvia Jastrzembski: Nein, das war grundsätzlich eine Entscheidung für Wilhelm Pieck. Und dazu steht die PDS, übrigens im Einvernehmen mit dem Bündnis 90, noch immer. Von dem Lubitsch-Vorschlag habe ich bisher nichts gehört.
Wie begründen Sie Ihre Position?
Ich halte einfach gar nichts von dieser Art Denkmalsstürmerei, wie sie jetzt stattfindet. Mit den Namen wird auch die Erinnerung ausgemerzt — und wie soll da eine vernünftige Aufarbeitung der Vergangenheit stattfinden? Wenn der Name bleibt, besteht meiner Ansicht nach noch eine Chance, daß sich die Leute mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Nun aber steht Wilhelm Pieck ja wieder auf der Abschußliste.
Wie das? Die Bezirksverordnetenversammlung hatte sich doch mit 37 von 68 Stimmen für den Namen ausgesprochen?
Nun ja, auf Betreiben der CDU wurde auf der letzten Versammlung im Dezember beschlossen, die Anwohner der Straße zu befragen. Derzeit bereitet das Bezirksamt einen Brief vor, in dem um Stellungnahme gebeten wird.
Steht nun also eine basisdemokratische Entscheidung an?
Wie man's nimmt. Der Rücklauf wird wahrscheinlich eher spärlich ausfallen. Laut dem Berliner Straßengesetz muß die Bezirksverordnetenversammlung dann vier Wochen nach der Briefaktion über die Stellungnahmen beraten. Bisher aber gibt es noch keine konkreten alternativen Namensvorschläge. Es geht also vorrangig um pro oder contra Pieck.
Könnte eine Entscheiung »contra Pieck« Sie für Lubitsch erwärmen?
Das ist bestimmt ein nachdenkenswerter Vorschlag. Im Vergleich zur »Statistikallee«, die sich das Statistische Bundesamt wünscht, wäre das direkt ein passabler Name. Aber es ist nicht der einzig denkbare.
Wie stehen Sie zu dem alten Namen — Elsässer- und Lothringer Straße?
Der Name ist unserer Meinung nach völlig fehl am Platze. Schließlich setzt man mit Symbolen wie Straßennamen gewisse Akzente bei der Geschichtsverarbeitung. Interview: Petra Brändle
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen