: Doppelwechsel der Diagonalangreifer
■ Stelldichein der Volleyball-Avantgarde in der Sömmeringhalle/ Verkrampfter SC Charlottenburg unterliegt dem VfB Friedrichshafen im Tie-Break mit 2:3 und verpaßt die Endrunde/ Alt-Schmetterhand Sude sticht Nationalspieler Hölzig aus
Charlottenburg. Der Siebente gegen den Sechstplazierten der Herren- Bundesliga hieß es am Samstag nachmittag in der Charlottenburger Sömmeringstraße. Ein Spiel der Mittelklasse? In der Hinrunde entführte der SCC in einem umkämpften Spiel mit 3:1 Sätzen (11, -13, -15, -13) beide Punkte vom Bodensee. Nun hofften die Charlottenburger, im erneuten Aufeinandertreffen wieder von ihrer mannschaftlichen Geschlossenheit zu profitieren. Denkste. Doch dazu später.
Beim Studium des Programmheftes manifestierte sich schnell die Erwartung auf eine hochkarätige Begegnung. Aktuelle Nationalspieler wie die Berliner Franko Hölzig, Frank Reimann und Ronald Triller trafen da auf die Friedrichshafener Auswahlspieler Eddi Krank, Michael Dornheim und Mister Volleyball, Burkhard Sude. Es war also ein Aufeinandertreffen der aktuellen, zeitweiligen und ehemaligen Avantgarde dieses Sportspieles. So pilgerten denn auch rund 180 Zuschauer (!) in die Halle und stellten sozusagen die Öffentlichkeit her. Was mußte das für ein Gefühl für die Männer vom Bodensee sein, vor einer so kläglichen Kulisse zu spielen, wo doch in Friedrichshafen im Schnitt 1.000 begeisterte Anhänger , »die besten Fans der Liga«, den Heimspielen ihres VfB beiwohnen und den nötigen Heimvorteil sichern.
Die wenigen, die sich an diesem frostigen Nachmittag am Volleyball zu erwärmen hofften, hatten während des über zweistündigen Matches dann auch genug Gelegenheit, die Hände durch begeistertes Klatschen warm zu halten. Ständig verhinderte ein reflexartig ausgestreckter Arm das Auftrumpfen des Leders auf den Hallenboden, trotz aller in den Angriffsschlag gelegten Energie. Sah es deswegen zu Beginn noch nach einem klaren Erfolg der Süddeutschen aus, so wurden die Charlottenburger, dank eines zeitweilig hochkarätigen Franko Hölzig und der sich stabilisierenden Berliner Annahme, zunehmend stärker und dominierten im zweiten und vierten Satz das Spielgeschehen. Überragend ihr solider Mittelangreifer Ronald Triller, der zu den Besten der Liga gezählt werden kann. Begeisternd, wie Triller den in der Netzmitte schnell aufsteigenden Ball mit Perfektion und Übersicht, je nach Spielsituation, durch leichten Handgelenkschlag oder kräftigen Armzug im gegnerischen Feld unterbringt.
Doch da war ja noch die geballte Routine eines Burkhard Sude (34 Jahre!). Ein Denkmal in der Volleyballszene. Internationalist (er spielte in Frankreich und Italien) und Aktivist der ersten Stunde, als die weitverbreitetste Spielsportart der Welt auch in unserem fußballzentrierten Land Fuß faßte. Ist den meisten sein unnachahmlicher einbeiniger Angriff hinter dem Zuspieler noch bekannt, so zeigte er Samstag eine phantastische Blockleistung, gepaart mit Souveränität und Spielübersicht, die seine Mitspieler anspornte und letztlich zum 3:2-Sieg entscheidend beitrug. Da half dem SCC auch nicht der bei der Europameisterschaft 1991 von Bundestrainer Prielozny eingeführte berühmt-berüchtigte Doppelwechsel von Zuspieler und Diagonalangreifer. Die darin gesetzten Hoffnungen (Jäger und Brall für Hölzig und Barnowski) von SCC- Trainer Zbigniew Jasiukiewicz, einen spielentscheidenden Impuls auf die Berliner zu übertragen und den dringend benötigten Sieg einzufahren, erfüllten sich nicht. Vielmehr wirkten die Charlottenburger ein wenig verkrampft.
Der fest eingeplante Einzug der Charlottenburger (die eigentlich eher Hohenschönhausener sind) in die Play-Off-Finalrunde wird nach dieser Heimniederlage (10:12 Punkte) ein schwieriges Unterfangen. Der unerwartete Rückschlag könnte Mannschaft, Trainer und Management noch manch schlaflose Nacht bescheren. Man muß im Berliner Männervolleyball wohl vorläufig weiterhin kleinere Brötchen backen. Die Sieger aus Friedrichshafen (12:10 Punkte) hingegen wirkten in ihrer Spielweise und ihrem Auftreten trotz der Altersspanne von 14 Jahren impulsiver und lebendiger. Bleibt noch zu sagen, daß der VfB den Tie- Break sicher gewann und natürlich Burkhard Sude mit einem Einerblock den Schluß- und Siegpunkt setzte. nora/uzi
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