Siedlungsstopp in der Diskussion

■ Baker dringt auf Einfrieren der Bautätigkeit in den israelisch besetzten Gebieten/ Gemischte Reaktionen in Jerusalem/ Teilnahme der Palästinenser an multilateralen Gesprächen unsicher

Tel Aviv (afp/taz) - Die amerikanisch-israelischen Gespräche über eine US-Kreditbürgschaft von zehn Milliarden Dollar zum Bau neuer Wohnungen sind ergebnislos auf das nächste Wochenende vertagt worden. In Washington verlautete, US- Außenminister James Baker habe die israelische Regierung in einem Gespräch mit Botschafter Salman Schoval aufgefordert, auf neue Bauprojekte in den besetzten Gebieten zu verzichten. Dies könnte ein Kompromiß im Streit um die Siedlungspolitik im Westjordanland sein, indem Israel bereits begonnene Bauten zu Ende führen könnte, aber keine neuen Siedlungen mehr errichtet.

Die USA hatten von Israel zuvor gefordert, den Siedlungsbau in den besetzten Gebieten sofort einzustellen, weil ansonsten die Friedensgespräche für den Nahen Osten gefährdet seien. Wegen der Einwanderung von nahezu einer Million jüdischer Immigranten aus der Sowjetunion und Äthiopien will die Regierung in Jerusalem aber an ihrem Wohungsbauprogramm festhalten, das auch die Errichtung weiterer Siedlungen im Westjordanland vorsieht.

Die US-Bürgschaft soll Israel den Zugang zu zinsgünstigen Krediten internationaler Geschäftsbanken ermöglichen. Nach Darstellung des ehemaligen US-Botschafters in Israel, Samuel Lewis, hätte eine negative Entscheidung des Weißen Hauses einen erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit und eine Schwächung der israelischen Kreditwürdigkeit auf den internationalen Finanzmärkten zur Folge.

Der israelische Ministerpräsident Jizchak Schamir zieht es einstweilen vor, eine öffentliche Debatte zu vermeiden. Allerdings soll das Thema heute in der Knesset auf der Tagesordnung stehen. Wie zu erwarten war, lehnen die militanten Rechtsparteien die US-Vorschläge ab und schlagen der Regierung vor, das Geld aus eigenen Mitteln und mit Hilfe der Juden in aller Welt aufzubringen. Auf der anderen Seite begrüßen linke Oppositionsparteien die Initiative aus den USA. Nach Meinung von Schimon Peres, dem Chef der Arbeiterpartei, sind 9.000 Häuser mehr oder weniger in den besetzten Gebieten keinen Streit zwischen den USA und Israel wert.

Der israelische Gesundheitsminister Ehud Olmert äußerte sich am Samstag zurückhaltend zu dem amerikanischen Vorschlag und sagte in einem Interview des israelischen Armeerundfunks, Israel könne die amerikanischen Bedingungen „möglicherweise nicht akzeptieren“. Es sei aber möglich, über diese Frage zu sprechen und zu einem für beide Seiten akzeptablen Kompromiß zu kommen. Offenbar seien die USA von früheren Forderungen abgerückt, wonach der Siedlungsbau sofort gestoppt werden müsse. Die amerikanische Bereitschaft, die Vollendung begonnener Siedlungsprojekte zu erlauben, nannte Olmert „einen Sieg für Israel“.

Schoval sagte am Freitag nach einer einstündigen Unterredung mit Baker in Washington, die Beratungen würden im Anschluß an Bakers Moskau-Reise am nächsten Wochenende fortgesetzt. Baker habe der israelischen Regierung zugesichert, die Eingliederung der Immigranten aus der Sowjetunion und Äthiopien zu unterstützen.

Führende Palästinenservertreter haben für den Fall der Bürgschaftserteilung mit dem Auszug aus der Nahost-Konferenz gedroht. Die palästinensische Delegationssprecherin Hanan Aschrawi deutete am Donnerstag jedoch an, gegen die Kreditvereinbarung sei nichts einzuwenden, sofern sichergestellt sei, daß die Mittel nicht für den Bau von Häusern in den besetzten Gebieten eingesetzt würden.

Das Beratergremium der palästinensischen Delegation bei den Nahost-Friedensverhandlungen hat sich am Sonntag jedoch gegen eine Teilnahme der Palästinenser an den multilateralen Gesprächen in Moskau ausgesprochen. Das palästinensische Delegationsmitglied Sajeb Erakat begründete diese Entscheidung damit, daß die im Ausland lebenden Palästinenser sowie die Palästinenser aus Ostjerusalem nicht an den multilateralen Verhandlungen teilnehmen dürfen. Die multilateralen Gespräche sollen am Dienstag in Moskau beginnen. Auch die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) lehnt offenbar eine Teilnahme der Palästinenser ab. Das teilte der Leiter des PLO-Informationsbüros, Jassir Abed Rabbo, in Tunis mit, wo das Exekutivkomitee seit Samstag berät. Am Sonntag nachmittag sollte die Entscheidung der PLO-Spitze offiziell bekanntgegeben werden.