: Liebe und MG-Salven
■ Borghesia: Bruchstücke aus Techno, House und trivialen Schlagerstücken im Loft am Nollendorfplatz
Von EBM [Damned! Who's that? säzzer] mag hierzulande kaum noch jemand sprechen. Erlaubt ist allenfalls der Hinweis, daß es sich bei den soldatischen Elektronikrhythmen um einen der Vorläufer von Techno handelt. Glücklicherweise haben sich Borghesia nie von den kernigen Sprüchen ihrer Nachfahren beeindrucken lassen, genausowenig von den übermächtigen Kollegen aus ihrer Heimatstadt Ljubljana, von Laibach. Denn sieht man von der (musikalischen) Herkunft und dem martialischen Äußeren ab, haben die beiden Bands nicht mehr viel gemeinsam. Und den Zöglingen zeigen die Slowenen nun mit dem frisch angeheuerten Sänger Tom Tronton, was Technik alles kann.
»Dreamers in Colour«, ihre jüngste Platte auf Play it again Sam, war ursprünglich der Soundtrack für ein Ballettstück des Eastern Dance Project. Als ob er das Motto für die Stückesammlung sei, hat der Titel Emotional gleich in drei verschiedenen Mixes überlebt. Von den Theweleitschen Körperpanzern, wie sie Borghesia mit Am I a fuck machine? auf »Escorts and Models« präsentierten, ist nämlich nur wenig übriggeblieben. Statt dessen ist von Liebe die Rede. Aber natürlich auch wieder von Politik. Never trust a Soldier heißt einer der neuen Titel, ein anderer nimmt mit MG-artigen Rhythmussalven Bezug auf die Situation im zerborstenen Jugoslawien, auf die Spannungen zwischen Zagreb und Belgrad.
Marschmusik lieben Borghesia immer noch. Doch die Brachialschläge sind nun nicht mehr wert als die Rückbezüge auf die Sechziger. Nicht mehr als die indische Sitar, das mitteleuropäische Klavier und der afrikanische Gesang. Bruchstücke aus House und Techno, triviale Schlagerstücke, die Reminiszenzen an die Urväter Kraftwerk. Diese ganzen Zitate haben Borghesia auf »Dreamers in Colour« luftig und leicht zusammengewebt, als ob's eine Spielerei gewesen wäre. Dabei ist der wildgemusterte Teppich ganz dichte Handwerksarbeit, auf der sich leichten Herzens aus der Sackgasse entschweben läßt, in die sich die Hardcore-Fraktion des Techno hineingesampelt hat. Wahjudi
am 29.1. ab 20.30 Uhr im Loft
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen