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Inmitten der Stullen nur Ödnis

■ Hauptsache Hauptstadt: Über das neue Abendmagazin „Berlin Berlin“ des SFB

Zwischen Sesamstraße und DAS! ergießt sich seit Anfang des Jahres spreeathener Lokalpatriotismus über die Empfänger der Nordkette. Berlin Berlin heißt die neue Sendung des SFB, die sich wochentags eine halbe Stunde lang zeitgleich mit der NDR-Produktion Halb Sieben die Frequenz teilt, und die sich genauso gibt, wie sie heißt. Denn was die einzelnen Beiträge bislang zusammenhält, ist nicht die Moderation, sondern lediglich ihre Herkunft aus der Hauptstadt. Solcherart verkoppelt erscheinen alle Themen gleich wichtig oder unwichtig, ob es sich nun um die Gründe für die steigende Zahl der Drogentoten in der Stadt handelt, um die finanziellen Nöte des Zirkus Busch oder um den neuen Kopf auf der Wachsfigur von Karel Gott — Hauptsache made in Berlin.

Das nette Magazin ist als Ergänzung zur Abendschau gedacht, die trotz der launigen Einsprengsel über die Off-Szene ihren frontstädtischen Durchhaltecharakter noch nicht ganz verloren hat. Und sich vielleicht gerade deswegen rühmen kann, mit einem Marktanteil von 47,5Prozent die erfolgreichste Berliner Fernsehsendung des letzten Jahres gewesen zu sein. Das Novum auf dem anderen Kanal möchte sich an den Erfolg dranhängen. Mit „Geschichten aus der Stadt“ soll ausgeleuchtet werden, was die Abendschau nur anreißen kann, und, so der leitende Redakteur Jörg Haffkemeier, vor allem — mal wieder — ein jüngeres, ein breiteres Publikum angesprochen werden.

Vier Moderatoren, zwei junge, zwei alte, zwei Frauen, zwei Männer, führen abwechselnd durchs Programm. Zwischen die Beiträge unterschiedlicher Länge sind feste Rubriken gesetzt. Jedesmal wird ein Studiogast interviewt, das Porträt wechselt mit der Hintergrundgeschichte, donnerstags und freitags gibt es Veranstaltungstips fürs Wochenende, und möglichst gleichberechtigt soll aus beiden Teilen der Stadt berichtet werden. An dem würzlosen Eintopf, der dabei herausgekommen ist, wird in der Redaktion selbst noch Kritik geübt: Noch nicht einmal das Grundraster der Sendung sei fertig geworden, und auch Jingles und Trenner ließen zu wünschen übrig. Schuld daran ist sicher der kurze Vorlauf, der der Sendung im Zuge der Verhandlungen zwischen dem SFB und dem ORB gestattet war.

Das allein entschuldigt allerdings nicht solche Schnitzer und Plattitüden, wie sie in der dritten Januarwoche geboten wurden. Da erschien das aus dem Allerlei herausragende Porträt von Willi Sommerfeld einen Tag nach einer Nord3-Sendung über Alleinunterhalter, in dem der Stummfilmpianist ausführlich gewürdigt worden war. Da wurde, als es an anderer Stelle um Geld ging, natürlich „Money“ von Pink Floyd unterlegt. Gnadenloser Höhepunkt war dann die Ortsbegehung der Grünen Woche nach Schließung für den Besucherverkehr: Der Reporter eilte durch drei Stände, prüfte den Staub, stellte fest, daß geputzt würde, und ansonsten Fragen, auf deren Antwort er nicht warten mochte. Beiläufig erfuhr er schließlich, daß sein Gegenüber nach Feierabend in der City noch ein Bier trinkt.

Was solche „Geschichten aus der Stadt“ zu erzählen haben, läßt Berlin Berlin offen. Glücklicherweise aber trägt die Sendung im Untertitel noch die Bezeichnung „Stadtillustrierte“. Und Illustrierte blättert man ja auch beim Schnittchenessen am Abend durch, egal, was drinsteht. Claudia Wahjudi

Berlin Berlin. Von Mo-Fr jeweils 18.30Uhr auf N3.

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