GASTKOMMENTAR
: Klartext von Klarname Meyer

■ Till Meyer war Stasi-Mitarbeiter — na und?

Wie bitter für die taz-Kollegen: Da hat man die Stasi im Haus gehabt, und die zeigte sich desinteressiert. Ließ einen quasi rechts liegen, schnüffelte, spitzelte und denunzierte nicht und forschte nichts aus, weil — jeder (Ex-)tazler weiß das — es in der taz nichts Unerforschtes gibt. Durch Till Meyers Selbstenttarnung via Spiegel-TV jetzt die eigene Bedeutungs- und Harmlosigkeit noch mal aufs Brot gelegt zu bekommen, tut weh, und entsprechend groß ist das Geschrei. Gewohnt betroffen wird von der „Natter am Busen“, von Undankbarkeit und Verrat geweint, wo man doch selbst so gütig war, dem Ex-Terroristen „eine Resozialisierungschance“ einzuräumen— ach ja, Undank ist der Welten Lohn, buhuhu.

Ärger noch aber als die bloße Tatsache der Stasi- Mitarbeit kommt die chronisch Tiefbestürzten Till Meyers Haltung an: Einfach und klar, ohne sich zu winden, ohne Selbstmitleid steht er da: „Non, je ne regrette rien!“ Warum auch: Till Meyer ist kein Spitzel und kein Denunziant wie zum Beispiel Anderson, der Dreigroschendichter, oder Wollenberger, der mit der Wanze im Schwanze in seine Frau hineinhorchte. Meyers Weigerung, jetzt auf dem Bauch liegend um Verständnis und Gnade zu winseln, wird ihm als „Stalinismus“, „Beton im Kopf“ und so weiter ausgelegt von Leuten, die jahrelang ihre politischen Jugendsünden mit verbohrtem Haß auf die DDR abgearbeitet haben, um doch noch im Schoße beziehungsweise Arsche der Gesellschaft anzukommen — „je suis arrivé, hehe!“

Menschen ohne Würde und ohne Stolz präsentieren sich derzeit täglich, zeigen mit dem erigierten Finger auf sich selbst und ihre ehemaligen Mitstreiter, behaupten, von nichts gewußt zu haben oder zur Stasi-Mitarbeit gezwungen worden zu sein, ein halbes Volks betreibt kollektiv die Vernichtung der eigenen (politischen) Biographie und macht sich, als Folge dieses erbärmlichen Vorgangs, zur blinden Manövriermasse: gebrochene Figuren, mit denen man machen kann, was man will.

Auf den Stühlen der Päpstlichkeit nehmen schlechte Schriftsteller wie Jürgen Fuchs die Beichten ab; Bärbel Bohley, die so malen kann wie Stephan Krawczyk singen, betreibt die Talk-Show als Existenzform, und Wolf Biermann, der politisch in der Nähe jeder Fernsehkamera steht, macht für den 'Spiegel‘ Klamauk im Hause Gauck und ernennt sich dreimal täglich zum Heine von heute.

In dem Schleim aus Christlichkeit, Schuld und Sühne und medialer Wichtigtuerei wirkt Till Meyers klares Bekenntnis zur Stasi befreiend — es hätte für meinen Geschmack ruhig noch eine Nummer selbstbewußter ausfallen können. Wiglaf Droste