: Der Osten, ein Pulverfaß
■ Harry Warrelmann über Blindgänger in den FNL
Das Szenario könnte aus einem Horrorfilm stammen: Zerstörte Häuser in Dresden, Rostock, Warnemünde, Peenemünde, auf Rügen und im Ostteil Berlins, dazu viele Todesopfer und Schwerverletzte. Dieses Schreckensgemälde könnte bald grausame Realität werden. Polizeihauptkommissar Harry Warrelmann, Leiter des Bremer Kampfmittelbeseitigungsdienstes und Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Kampfmittelräumdienste in den Bundesländern“, erklärt warum: „Im Erdreich der neuen Bundesländer müssen noch Tausende von Bombenblindgängern liegen, die jeden Tag explodieren können.“
Gerade Dresden, das 1945 von einem Flächenbombardement der Amerikaner und Engländer in Schutt und Asche gelegt worden war, dürfte davon betroffen sein. Betroffen sind natürlich auch Berlin, Hafenstädte und ehemalige Industriegebiete.
In der ehemaligen DDR hatte es keine gezielte Suche nach Bombenblindgängern gegeben. Bisherige Funde waren eher Zufallstreffer. Seine Kollegen im Osten haben allerdings auch keine Luftaufnahmen der Alliierten zur Verfügung, die eine Suche erleichtern könnten.
Erst seit der deutschen Einigung und dem Beitritt der neuen Bundesländer zur genannten Arbeitsgemeinschaft gebe es Verhandlungen mit England über eine Ausleihung der Bilder für das ostdeutsche Gebiet. Die University of Keele in Staffordshire bei London beherbergt ein Luftbilderverzeichnis der Alliierten. Allein für Bremen wertet der Räumdienst seit fünf Jahren 30.000 bis 40.000 Bilder dieser Einrichtung aus — für Warrelmann 20 Jahre Arbeit allein in Bremen.
Rund 700 Bombenblindgänger — „von Tausenden von Granaten ganz abgesehen“ — mußte der Sprengmeister 1991 „bearbeiten“. Und diese Arbeit wird immer dringender und zunehmend gefährlicher, „mit Sicherheit auch in Ostdeuschland“. Denn durch die zum Teil mehr als 40jährige Lagerung hat sich Grünspan an den Zündern gebildet. „Bei Versuchen“, so berichtet Warrelmann, „hat man festgestellt, daß es unter Umständen reicht, mit einer Hühnerfeder über die Substanz zu streichen, um die Detonation auszulösen.“ Gert Simberger (dpa)
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