piwik no script img

Auf der Abschußrampe

■ Hauswarte können jederzeit aus ihrer Wohnung fliegen

Berlin. Arglistig getäuscht fühlte sich eine Hausbesitzerin in der Schöneberger Maaßenstraße, als sie von der bevorstehenden Scheidung ihres Hauswartsehepaares erfuhr. Nach zweieinhalb Ehejahren war der Mann aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Damit war für die Hausbesitzerin die Grundlage für Arbeits- und Mietvertrag entfallen. Sie kündigte der achtundzwanzigjährigen Mutter von zwei Kindern.

Dienstverträge von Hauswarten sind jederzeit ohne Begründung kündbar. Paßt dem Hausbesitzer die Nase des Hauswarts nicht mehr, kann er ihn entlassen. Ist das Arbeitsverhältnis erst einmal gelöst, kann auch der Mietvertrag gleich mitgekündigt werden, denn: ohne Dienst keine Dienstwohnung.

Der von ihrem Mann getrennt lebenden Frau half es wenig, daß die übrigen Mieter mit ihrer Arbeit zufrieden waren. Sie sei »den Anforderungen der Hauswartstätigkeit in unserem Haus nicht gewachsen«, argumentierte die Besitzerin. »Eine Frau ohne Mann ist als Hauswart einfach nicht gewollt«, vermutet hingegen die Gekündigte und wandte sich an den Regierenden Bürgermeister. Der sah sich zwar bedauerlicherweise außerstande, ihr zu helfen, konnte es sich dann aber nicht verkneifen, ihr die Prinzipien der Berliner Regierungspolitik zu erklären: »Im öffentlich geförderten Wohnungsneubau sollen... in der jetzigen Legislaturperiode mindestens 80.000 Wohnungen gefördert werden... Die Realisierung des Wohnungsprogramms erfolgt in allen Programmen (1. bis 3. Förderweg, Eigentumsförderung und Dachgeschoßausbau) mit Schwerpunkt im 1. Förderungsweg, dem sozialen Wohnungsneubau, denn es fehlen in Berlin vor allem preiswerte Wohnungen.«

Der Fall kam vor Gericht, und in erster Instanz hielt man sich an die Buchstaben des Gesetzes. Heute findet vor dem Landgericht die zweite und damit letzte Verhandlung statt. Sollte das Urteil bestätigt werden, bleibt der Frau die Zwangsräumung nicht erspart. Mit der Einweisung ins Obdachlosenheim würde sie im übrigen das gleiche Schicksal treffen wie ihrer Vormieterin. 1990 hatte die Besitzerin einer Frau mit fünf Kindern den Arbeitsvertrag gekündigt und die Zwangsräumung erwirkt. Auch sie hatte sich von ihrem Mann getrennt.

Derweil hat die Vermieterin das Haus zwar verkauft, der neue Besitzer hält jedoch an der Räumungsklage fest. Schnellstmöglich will er die Wohnung frei haben, um sie einem »richtigen« Hauswart anzubieten.

Verärgerung hat der Vorfall bei den übrigen Mietern hervorgerufen. Sie befürchten, daß dies nur die erste Maßnahme sein könnte, um das Haus peu a peu freizuräumen und es anschließend zu einem erheblich »günstigeren Mietzins« neu zu belegen. Eine als Eigenbedarf deklarierte Dreizimmerwohnung hat er, statt sie selbst zu beziehen, rund hundert Prozent teurer als die ortsübliche Vergleichsmiete weitervermietet. mail

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen