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Krabbe as usual

■ Die „Olympische Nacht“ von Berlin: ein altes Ost-Sportfest wurde nach Westen verpflanzt

Berlin (taz) — Die deutsche Leichtathletik-Gemeinde kann beruhigt sein: Katrin Krabbe, Doppel-Weltmeisterin aus Neubrandenburg, ist auch in der neuen Saison noch ganz die Alte. Ein umstrittenes Trainingslager in Südafrika, beim ersten Start in Berlin eine Jahresweltbestzeit über 60 Meter und schließlich die gewohnte herzerfrischende Ungeduld angesichts der geierartig über sie herfallenden Medienmeute — für Gesprächsstoff ist allzeit gesorgt. „Ich hab' dir doch gerade erklärt, daß ich dazu nichts weiter sagen will“, fauchte die 22jährige einen vorwitzigen Fragesteller an, der noch einmal nachhakte, als sie ihre Stellungnahme zur Stasi-Diskussion mit den Worten „mehr kann ich dazu nicht sagen“ abgeschlossen hatte.

Sie habe in Südafrika nicht viel von der Sache mitbekommen, meinte sie, aber vieles erscheine ihr ziemlich überspitzt. Basta!

Ansonsten war Katrin Krabbe, gerade braungebrannt aus dem südafrikanischen Stellenbosch heimgekehrt, sehr zufrieden. „Ich habe im Winter noch nie so gut begonnen.“ Der Start sei zwar nicht optimal gewesen, aber die hervorragende Zeit von 7,11 Sekunden, mit der sie Ex-Weltmeisterin Silke Möller glatt abhängte, sei durchaus ein Erfolgserlebnis gewesen. Da spielte es auch keine Rolle, daß ihre große Rivalin Merlene Ottey (Jamaika) wenige Minuten später im belgischen Gent den frischgebackenen Saison-Rekord in Windeseile und 7,09 Sekunden auf den Müllhaufen der Leichtathletik-Geschichte expedierte.

Auch Krabbe-Trainer Thomas Springstein war angetan vom Auftakt des Olympia-Jahres und verwahrte sich einmal mehr gegen Vorwürfe, die Reise nach Südafrika sei eine Flucht vor den Dopingkontrolleuren gewesen: „In Pretoria gibt es ein hervorragendes international anerkanntes Dopinglabor.“ Den Ausschlag für Stellenbosch hätten ausschließlich klimatische Gründe gegeben. Die von ihm betreuten Frauen seien halt sehr anspruchsvoll: „Das ist der Nachholbedarf, den wir Ossis haben.“

Als sich der Krabbe-Rummel enigermaßen gelegt hatte, konnten dann auch die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der „Olympischen Nacht“ ein wenig Aufmerksamkeit erheischen. Nach einigen Querelen war das traditionelle Hallenspektakel der alten DDR kurzerhand vom Sportforum Hohenschönhausen in die westliche Rudolf-Harbig-Halle transferiert worden, deren räumliche Enge eher für die Atmosphäre von Bundesjugendspielen sorgte. Hürdenläufer, Hochspringerinnen, Dreispringer, Langstreckenläufer und Weitspringerinnen kreuzten munter ihre Bahnen, und es grenzte an ein Wunder, daß das Ganze ohne größere Karambolagen verlief.

Im allgemeinen Gewirr war es nicht leicht, den Wettkämpfen zu folgen, zumal der Hallensprecher häufig selbst den Überblick verlor und es beharrlich unterließ, die Zwischenstände der Sprungwettbewerbe bekanntzugeben. So war erst bei der Siegerehrung zu erfahren, daß Heike Drechsler den Weitsprung mit 6,94 Meter gewonnen hatte und der Lette Maris Brushiks mit 17,24 vor dem US-Amerikaner Mike Conley zum ersten baltischen Erfolgserlebnis in der Leichtathletik sprang.

Die 60 Meter hatte der WM- Dritte Dennis Mitchell (USA) in 6,65 Sekunden vor Landsmann Calvin Smith gewonnen, was natürlich keinen Vergleich mit dem neuen Weltrekord aushielt, den Andrew Cason (USA) in Gent aufstellte (6,45). Der Berliner Mark Eplinius lief neuen Deutschen Rekord über 1.000 Meter, und Sigrun Grau rannte auf derselben Strecke der 800-Meter-Weltmeisterin Lilia Nurutdinowa einfach weg. Mit 2:35,33 Minuten schrammte sie nur knapp am 14 Jahre alten Weltrekord von Brigitte Kraus (2:35,28) vorbei.

Der sportliche Höhepunkt des Abends fand aber erst statt, als etliche Zuschauer schon gegangen waren. Heike Henkel, bis dahin weitgehend unbeachtet geblieben, überquerte im Hochsprung 2,03 Meter — ein neuer deutscher Hallenrekord.

„Es stimmte alles, das Schwungbein kam gut und die Lattenüberquerung war super“, freute sich die „Leichtathletin des Jahres 1991“ recht detailliert und mochte sich auch nicht darüber ärgern, daß ihr Katrin Krabbe immer das ganze Rampenlicht stiehlt: „Der Sprint ist eben populärer. Aber wir Hochspringerinnen kommen!“ Matti

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