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Die Paten von Rosenheim

Die betuchte Metzgerfamilie März gibt nach diversen Scharmützeln mit dem Bürgermeister der bayerischen Kleinstadt Rosenheim ihr Eishockeyhobby, den Sportbund Rosenheim, auf  ■ Von Matthias Kittmann

Rosenheim (taz) — Montag abend, 21.20 Uhr. In Blickpunkt Sport (Bayern III) tagt das Fernsehgericht. Mit Totengräbermiene leitet Waldemar Hartmann den zentralen Beitrag der Sendung ein: Der Rückzug der Firma März als Sponsor des SB Rosenheim. Hartmann ist an diesem Abend in die Rolle des Richters und Staatsanwalts geschlüpft. Mit „Zeuge“ Ernst Höfner, Kapitan des SBR, als Gegenüber legt er auch gleich los: „Ernst, mit der Entscheidung der Stadt Rosenheim, keinen Stadionausbau zu finanzieren, ist das bayerische Eishockey praktisch tot.“

Nach weiteren Sätzen zum Warmwerden nimmt er sich den in seinen Augen Hauptschuldigen zur Brust — Oberbürgermeister Stöcker. Er bezichtigt ihn der vorsätzlichen Täuschung und Lüge. Doch nicht nur der Sport ist bedroht. „Man muß das Ganze auch gesamtpolitisch sozial sehen. Schließlich werden mit Eishockey die Jugendlichen von der Straße geholt, die sonst möglicherweise sehr unschöne Dinge tun würden.“ Der Bürgermeister als Unterstützer krimineller Karrieren? Da rutscht selbst Ernst Höfner etwas verlegen auf seinem Stuhl hin und her. Aber Richter Hartmann ist noch nicht fertig. „Das Aus für den SB Rosenheim wird zu einer Wettbewerbsverzerrung in der deutschen Meisterschaft führen.“ Nun wird es Höfner zu viel. Das glaube er nicht, denn „Deutscher Meister wollen wir so oder so werden“.

Die Situation

Was ist die Ursache für derartige Jagdszenen? Am vergangenen Sonntag abend gab die Unternehmensgruppe März bekannt, daß sie in Zukunft ihre Unterstützung als Sponsor des SB Rosenheim einstellen werde. Vorausgegangen war ein Geplänkel um die Forderung des Sponsors, das Eisstadion zu renovieren und zu erweitern. Die Kosten für diese Umbauten hätten bei ca. 45 Millionen DM gelegen. Auch der Deutsche Eishockeybund verlangte diese Maßnahmen, um Rosenheim als Spielort für die Eishockey-WM 1993 aufzunehmen. Trotz möglicher Zuschüsse von Bund und Land blieb für die Stadt Rosenheim ein Anteil von 15 Millionen DM. Zu viel für die kleinste Stadt in der Bundesliga. 15 Millionen DM wären die Hälfte des gesamten städtischen Investitionshaushaltes, wie Bürgermeister Stöcker feststellt. „Ein Wahnsinn! Wir sind eine kleine, überschaubare Mittelstadt und nicht München oder Düsseldorf.“ Darüber hinaus braucht die 56.000-Einwohner-Stadt Kindergärten und ein neues Krankenhaus. Unter diesen Umständen kann die Alles-oder-nichts-Forderung der Brüder März nur als Erpressung verstanden werden: entweder Stadionausbau oder Rückzug. Für den komplett in Familienbesitz befindlichen SBR mußte dies das Aus bedeuten. Kein Spieler hat einen Vertrag mit dem Verein, sondern mit der Sportgewerbe GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der März- Gruppe — ein einzigartiger Fall in der BRD. Nicht weniger ungewöhnlich ist die Koalition zwischen dem Nahrungsmittelkonzern März und dem Deutschen Eishockeybund. Doch nur auf den ersten Blick.

Der Multifunktionär

Um dies zu verstehen, ist es notwendig, sich mit einem gewissen Josef Wagner zu beschäftigen. Dieser Herr ist zunächst einmal leitender Angesteller der März-Gruppe. Sodann bekleidet er beim Sportbund Rosenheim den Posten des Geschäftsführers. Und auch beim Deutschen Eishockeybund war noch etwas frei — dort ist Herr Wagner der Schatzmeister. Damit werden die Regeln dieses Spieles deutlich: März-Vertreter Wagner wird das Mär(z)enatentum seiner Firma zu kostspielig und er möchte, daß die Stadt als Co-Sponsor einspringt. Um entsprechend Druck machen zu können, legt DEB-Vertreter Wagner die Latte für eine WM-Teilnahme Rosenheims sehr hoch — unter 45 Millionen ist die WM-Ehre nicht zu haben. Doch Rosenheims Volksvertreter sind noch bei Sinnen und widerstehen der Erpressung — schließlich wollen sie ihre Stadt nicht ruinieren. Nun tritt SBR-Vertreter Wagner auf den Plan und weint Krokodilstränen über den bevorstehenden Untergang des Rosenheimer Eishockeys. Denn ihm wurde von März-Vertreter Wagner mitgeteilt, daß der Bier- und Fleischwarenkonzern nun leider beim Sportbund aussteigen müsse. Ein schon fast genialer Kreislauf.

Die Familie

Um dieses Spiel zu spielen, muß man schon einige Routine haben. Und die haben die Gebr. März auf einem anderen Parkett erlangt. Im Juli 1991 erbrachte ihnen dies äußerst unliebsame Publicity. Dabei stellte sich heraus, daß der Familiensenior und 1988 verstorbene Strauß-Intimus Josef März nicht nur eine wichtige Rolle bei dem 83er Milliardenkredit einnahm, sondern auch Geschäftspartner von Schalck-Golodkowski war. Schon seit den Sechzigern hatte der Metzger-Clan gute Beziehungen zu Honeckers Staatshändlern. Dabei wurde billiges Schlachtvieh aus den Comecon-Ländern über die DDR und Bayern in die anderen EG-Länder „durchgehandelt“. Die Kontingente für solche Importe bekam man nur mit außergewöhlich guten Beziehungen und/oder Cash.

Ein weiteres Standbein hat die März AG in der ehemaligen deutschen Kolonie Togo. Dank des langjährigen Freundes F.J. Strauß hat sie dort einen großen Teil des Nahrungsmittelsektors in der Hand. Die dort bis vor kurzem herrschende Diktatur ermöglichte den deutschen Herren einen recht unbürokratischen Umgang mit etwaigen Gegnern. Es ist kaum vorstellbar, daß sich Bürgermeister Stöcker mit einem solchen Widersacher eine Privatfehde leistet. Vielmehr scheint Stöcker recht zu haben: „Die Gebrüder März planen schon seit einiger Zeit den langsamen Ausstieg aus dem Eishockey.“ Die Stadionsanierung war somit der erwünschte Anlaß.

Derweil haben die Eishockeyfreunde in Rosenheim noch nicht aufgegeben. Um die — trotz alledem bedauerliche — Auflösung des dreifachen deutschen Meisters zu verhindern, bastelt man fieberhaft an einem Sponsorenpool unter der Führung des Antennenherstellers Anthon Kathrein. Allerdings wären dabei fünf Millionen DM als „Ablöse“ an März fällig und weitere drei Millionen für die laufenden Kosten. Bleibt abzuwarten, ob diese Bemühungen Erfolg haben. Junior-Metzger März jedenfalls zeigt sich gegenüber Querulanten wie Bürgermeister Stöcker (CSU) unerbittlich: „Den will ich nicht mehr sehen!“

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