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Die alltäglichen Wasserkriege des Sahel

■ Konflikte um Nutzung bewässerten Landes zwischen Bauern und Hirten/ Ergiebiger Regen führte in Niger zu Massaker

Berlin (taz) — Wohl in keiner Region der Erde sind Konflikte um Wassernutzung so häufig wie im Sahel. Seit 1969 haben hier nach Angaben der UNO-Landwirtschaftsorganisation FAO die Wasserbestände um 40 Prozent abgenommen. Soziale Auswirkungen hat dies vor allem nahe den großen Flüssen wie Niger und Senegal, wo zumeist Oberflächenwasser genutzt wird: Hier sind die Veränderungen im Wasserhaushalt von Jahr zu Jahr viel heftiger als dort, wo Grundwasser aus Brunnen die Hauptquelle darstellt.

Ein immer wiederkehrender Konfliktherd ist die Konkurrenz zwischen Bauern, die auf bewässerten Feldern Nahrungsmittel anbauen, und nomadisierenden Viehzüchtern, die nach Weidegrund suchen — zumeist auf demselben Land. Im April 1989 kam es darüber fast zum Krieg zwischen Senegal und Mauretanien: Mauretanische Hirten ließen ihr Vieh in den Feldern senegalesischer Bauern weiden; der darauf folgende Streit führte schließlich zu Ausweisungen Hunderttausender Staatsbürger des jeweils anderen Landes über die gemeinsame Grenze.

Aus Sorge machte daraufhin der Staatschef von Burkina, Thomas Sankara, den „Kampf gegen die Herumwanderung von Tieren“ zu einer Priorität seiner Regierung. Eine mögliche Lösung ist die gemeinsame Landnutzung durch Bauern und Hirten: so gibt es in einigen nördlichen Dörfern Malis „Viehkorridore“, die zu speziellen Weidezonen in Anbaugebieten führen. Trotzdem passiert es auch hier immer wieder, daß die Kühe sich nicht an die vorgesehenen Wege halten und dann mit Pfeil und Bogen umgebracht werden.

Im Süden Nigers dürfen die Nomaden aus dem Norden traditionell nach der Ernte Ende Oktober ihr Vieh auf die brachliegenden Felder treiben, bis zur nächsten Aussaat. Im vergangenen Oktober führten hier ausgerechnet überdurchschnittliche Regenfälle zum Konflikt: Da die Ernte von 1991 besonders gut auszufallen versprach, wollte die Hausa- Bevölkerung des Dorfes Toda ihre Felder zwei Monate länger behalten; die angereisten Peul-Hirten sollten warten. Am 29. Oktober ließen vier Hirten ihre Kühe auf die Bohnen- und Hirsefelder von Toda los; die aufgebrachten Bauern mobilisierten die Bevölkerung der Nachbardörfer zum Gegenangriff und zündeten ein Haus an, in dem sich die Familien der Hirten versteckt hielten. Bilanz: 103 Tote.

Hier zeigt sich das Paradox, daß nicht gravierender Regenmangel, sondern unerwarteter Überfluß das Konfliktpotential verschärfen kann. Seitdem sich die Niederschläge in den letzten Jahren einigermaßen normalisiert haben, wächst der Viehbestand des Sahel stark — während gleichzeitig der Nahrungsmittelanbau gefördert wird. D.J.

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