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Die reißt schöne Löcher rein

■ Von einschneidenden Macheten und teuren Schnitzeln

Angeregt durch den gestrigen Lokalaufmacher »Ohne Schein: Scharfe Waffen für jeden« über die »2. Internationale Berliner Waffenbörse«, machte sich unsere kulturelle Geheimwaffe Werner nochmals auf, die dort feilgebotenen »Wunderwaffen für die Handtasche« im Hinblick auf ihre praktische Verwendbarkeit unter die Lupe zu nehmen.

Hand aufs Herz: Wer hat noch nie den Wunsch verspürt, einen unliebsamen Zeitgenossen ins Jenseits zu befördern? Ich schon, nur ist leider das passende Gerät nicht immer zur Hand, und so muß ich mich weiterhin mit Magengeschwüren, Gewaltphantasien und sonstigem Masochistenkram herumschlagen. Waffenbörsen sind Orte der Vorfreude, hier kann ich mich auf die mißliche Situation vorbereiten, daß mir bei der nächsten Diskussion die Argumente ausgehen.

Für den frustrierten Anfänger empfiehlt sich ein einhändig zu öffnendes »Spyderco«-Taschenmesser. Das Modell »Executive« garantiert mit seiner 2,4 Millimeter starken Klinge aus rostfreiem Stahl eine »extreme Schnitthaltigkeit«. Geschlossen ist das Messer ganze 83 Millimeter lang und gehört damit in jede Hosentasche.

Für die Damen gibt es den »Lady Bug« — 16 Gramm Wut in zarten Händen kann sehr überzeugend sein. Seitengewehre, Äxte, Degen, Schwerter und Spieße sind eher für den hart zupackenden Mann gedacht, etwas auffällig, dafür sehr preiswert; die einschneidige Machete ist bereits für 99 Märker zu haben.

Der neueste Schrei sind Elektroschockwaffen. Während einige Modelle auf dem Markt sind, mit denen »allenfalls ein Loslaßeffekt zu erzielen ist«, so das Fachblatt 'Büchsenmacher‘, wirkt das XL-5000 der Firma »Omnicomput« »schlagartig umwerfend«. 100.000 Volt produziert das pistolenähnliche Gerät, 45.000 Volt erreichen das Haßobjekt, »ein Körperkontakt von drei Sekunden, und der Mann ist garantiert weg vom Fenster«, schreibt 'quick‘ über das Modell »Spezial«. Ganze 243 gesamtdeutsche Mark kostet die Waffe, inclusive Akku und Wiederaufladegerät. Der Hersteller spricht in seiner Werbung besonders die weibliche Kundschaft an, annonciert eine »Wunderwaffe für die Handtasche«. Und doch sollten die Frauen bedenken: eine XL-5000 reagiert auf ein Problem — eine »1 of 3000 Smith & Wesson« löst es. »Das Kaliber 44 reißt ein schönes kleines Loch«, sagt ein Verkäufer grinsend, »und wenn man dicht genug herankommt, ein schönes großes.« 2.500 Mark muß man schon für den Todesengel auf den Tisch legen, ein ähnlich wirksamer Colt 357 Magnum ist aber schon für DM 820 zu haben.

Wer kein Geld oder keine Zeit hat, seine Waffen in Jugoslawien oder im Irak einzuschießen, muß nicht als Luschi dastehen. »Nach langem Gebrauch in der argentinischen Armee immer noch in gutem Zustand« ist die 45kalibrige Bellester-Molina, wirbt ein Plakat. Wer 498 Mark für diese Waffe bezahlt, kann ziemlich sicher sein, ein kriegserprobtes Gerät zu erwerben. Einige Waffenfreaks wollen jedoch selber den Nervenkitzel einer Schlacht nacherleben. Sie wenden sich an Dr. David Th. Schiller, Olgastraße 86 in 7000 Stuttgart 1. Schiller leitet den »Kulturhistorischen Verein für Geschichtsdarstellung«, der »romantisierenden Spielfilmen in Fernsehen und Kino im Stil von Fackeln im Sturm oder Vom Winde verweht hautnahes, direktes Erleben« entgegensetzt. Als Vorbild dient das amerikanische »reenacting«: es wird die amerikanische Revolution oder der Bürgerkrieg nachgestellt, Siegesfeier am Lagerfeuer inklusive — Aussteller der Waffenshow bieten die passenden Orden, Schärpen, Uniformen an. Manche Kunden in der Kongreßhalle sehen nicht gerade vertrauenserweckend aus: Kurzhaarschnitt, Schnauzbart, Fliegerjacke. Eine Gruppe Glatzen steht vor einem Second-hand-Stand, der Ersatzteile für Maschinengewehre führt. Das sind Momente, die pazifistisches Gedankengut vertreiben.

Die Preise im Restaurant der Kongreßhalle verstärken den Wunsch nach einer Waffe. Ein Schnitzel kostet 8 Mark, so steht es auf der Preisliste über dem Buffet. An der Kasse wird dann die Kartoffelbeilage und der schrumpelige Salat mit jeweils DM 6,50 extra berechnet. Jetzt müßte ich eine Luger dabei haben, oder eine Beretta — noch besser wäre ein Drillingsgewehr von »Sauer & Sohn«, Kaliber 12/70, ein 6,5x57R- Geschoß im Lauf, eine Remington, vollgepumpt mit geilen Dumdum- Teilen... Werner

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