: Innovativer Anti-Antikommunismus
„Unwahrscheinliche Geschichten“ („Twilight Zone“), 2.50 Uhr, Pro7 ■ Von Manfred Riepe
Klamotten wie Bezaubernde Jeany oder Immer wenn er Pillen nahm, deren nostalgischer Wiedersehens- Wert sich rasch erschöpft, werden zu erträglichen Sendezeiten wiederholt. Stilbildende und innovative Serien wie Twilight Zone (deutsch: Unwahrscheinliche Geschichten) hingegen sind mit Sendezeiten zwischen 2.00 Uhr und 4.00 Uhr in der Früh allenfalls für Besitzer von programmierbaren Aufzeichnungsgeräten goutierbar. Nicht zu verwechseln sind die Unwahrscheinlichen Geschichten übrigens mit ihrer mißlungenen Neuauflage von 1987, die bei RTLplus ebenfalls dienstags läuft und irritierenderweise den richtigen Titel Twilight Zone trägt.
Das schwarzweiße Original umfaßt 156 Folgen, die vom Oktober 1959 bis zum Sommer 1965 bei CBS liefen. Einige davon wurden 1968 in der ARD beziehungsweise 1971 in Bayern3 ausgestrahlt. Es handelt sich um Genrefilme, deren thematische Vielfalt sich jedoch nicht auf ein Genre eingrenzen läßt. Klassisch geprägter Fantasy begegnet man ebenso wie Komödien, Science-fiction oder Horror.
Im Gegensatz zu zeitgenössischen Serien fasziniert Twilight Zone bis heute durch die Abwesenheit unfreiwilliger Komik. Es geht nicht um Hexen oder Magier, sondern um gewöhnliche, frustrierte Geschäftsleute, Hausfrauen und kleine Angestellte, deren Alltag durch den Einbruch des Phantastischen auf den Kopf gestellt wird.
In der Folge Die standhafte Münze wirft ein kleiner Bankangestellter dem Zeitungsjungen ein Geldstück hin, das auf der Seite stehenbleibt. Plötzlich kann er Gedanken lesen, was ihm jedoch nur Ärger einbringt. Statt einen Bankraub zu verhindern, denunziert er den Tagtraum eines Kollegen.
Einige Folgen glänzen sogar durch phantasievolle Attacken auf die antikommunistischen Parolen, die sich im Amerika der ausgehenden 50er in grotesken Monstermovies niederschlugen. Die Folge The Monsters Are Due On Maple Street beispielsweise entwirft ein beklemmend realistisches Amerikabild. Nach einem simplen Stromausfall in einem Kleinstadtviertel verdächtigen sich brave Vorstädter gegenseitig, außerirdische Monster in Menschengestalt zu sein. Die wechselseitigen Verdächtigungen gipfeln in Hysterie und schließlich in einer Massenpanik. Harmlose Bürger werden als protofaschistischer Lynchmob entlarvt. Am Ende blendet die Kamera zurück auf einen Hügel, von dem aus zwei coole Außerirdische, die den Stromausfall herbeigeführt hatten, das Unglaubliche als Regelfall in einer linearen Testreihe bewerten. Das hat was.
Der Grundton der Serie variiert eine beißende Ironie, die nicht selten auf die antikommunistische Atomkrieghysterie abzielte. In The Shelter streitet sich eine Gruppe von Nachbarn aufgrund eines im Radio irrtümlich angekündigten nuklearen Krieges um die raren Plätze im Atombunker und verkommen dabei zu Tieren.
Und in Time Enough At Last überlebt ein kurzsichtiger Büchernarr als einziger den Atomkrieg und freut sich darauf, endlich in Ruhe lesen zu können. Leider wurde auch seine Brille zerstört. Wirklich abgefahren ist Folge 106: He's Alive. Gemeint ist Adolf Hitler, der als schemenhafte Figur (etwa wie in der Lenor-Werbung) die Geschicke eines jungen Neonazis (Dennis Hopper) leitet.
Die in Twilight Zone auftauchenden B-Schauspieler bilden insgesamt eine Typologie der Ära. Zu sehen sind neben dem jungen Wiliam Shatner, Charles Bronson oder Donald Pleasance sogar Robert Redford, Buster Keaton und Peter Falk. Heute berühmte Regisseure verdingten sich für Twilight Zone. In den Stablisten finden sich unter anderen Christian Nyby (The Thing), Richard Donner (Superman), Jacques Tourneur (White Zombie) und Don Siegel (Dirty Harry). Die fast durchgehend hohe Qualität des Konzepts rührt daher, daß die meisten Folgen von ihrem Erfinder Rod Sering selbst geschrieben wurden. Die heutige Episode Letzter Flug der „King Nine“ ist von Buzz Kulik, handelt vom Fiebertraum eines Piloten und ist eher mittelmäßig. Reinschauen lohnt sich aber allemal.
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