: Boykott des Siedlungsbaus?
■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Die „Vereinigte Nationale Führung des Palästinenseraufstandes“ hat die palästinensischen Arbeiter zum ersten Mal dazu aufgerufen, unverzüglich die Arbeit beim Siedlungsbau in den von Israel besetzten Gebieten niederzulegen. Mit diesem am Montag verbreiteten Aufruf hofft die Vereinigte Führung, den besonders seit der Einwanderungswelle russischer Juden nach Israel forcierten Siedlungsbau einzudämmen. „Das hemmungslose Tempo der israelischen Besiedlung stellt eine Gefahr für die palästinensische Zukunft dar“, heißt es in der 79. Erklärung der Führung.
Sollte ein derartiger Aufruf tatsächlich weitgehend befolgt werden, hätte dies den Zusammenbruch der Bauarbeiten zur Folge. Die Hälfte der in den besetzten Gebieten beschäftigten palästinensischen Bauarbeiter ist hier beschäftigt, da es für sie kaum andere Erwerbsmöglichkeiten gibt. Für diese circa 40.000 Arbeiter eine Ersatzbeschäftigung zu finden, wie es in dem Aufruf von den palästinensischen Baufirmen gefordert wird, dürfte sich allerdings als schwierig erweisen. Die palästinensische Landwirtschaft und die nur rudimentär vorhandene Industrie in den besetzten Gebieten reicht bei weitem nicht aus, diese Arbeiter aufzunehmen. So bleibt es zweifelhaft, ob dieser Aufruf tatsächlich befolgt wird.
Gleichzeitig fordert die Führung zu einem anderen Umgang mit Personen auf, die der Kollaboration mit den israelischen Behörden verdächtigt werden. Sie fordert Vorsicht und Toleranz, damit nicht Unschuldige angeprangert und Todesurteile fälschlich oder voreilig gefällt werden.
Nachdrücklich verurteilte sie den Anfang Januar begangenen Mord an dem amerikanischen Archäologen Dr. Glock, der an der palästinensischen Bir Zeit Universität beschäftigt war. Die Vereinigte Führung macht den israelischen Geheimdienst für die Ermordung des Archäologen verantwortlich. Glock habe „dem palästinensischen Volk große Dienste erwiesen“, heißt es in dem Flugblatt.
Wie schon in ihrem letzten Aufruf vor einem Monat ignoriert die Führung die bilateralen Verhandlungen in Washington. Dies kann als Hinweis auf die Uneinigkeit der in der „Vereinigten Nationalen Führung“ zusammengefaßten Gruppen zu dieser Frage gewertet werden. Dagegen begrüßt sie die Haltung der palästinensischen Delegation bei der multilateralen Konferenz in Moskau, wo sie die Teilnahme an den Arbeitsgruppen boykottiert hatte. Washington, heißt es, strebe eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den arabischen Staaten und Israel an, ohne das Palästinenserproblem lösen zu wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen