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Kalbs-Brice

■ Die Hütte am See, Die., 20.55 Uhr, ZDF

Die Rezeptur ist so hausbacken wie altbewährt: Man nehme einen Mann, graumeliert, ergo in den besten Jahren, dabei im Idealfall Dr. med., wenn nicht gar Dr. veterinär, und gebe als Libido-Binder eine gleichermaßen attraktive wie alleinstehende Frau dazu, garniere mit Frischfleisch, am besten in Pferdeform, hacke das Ganze in vier Teile und schmore es 50 Minuten lang in der gut vorgeheizten TV-Röhre: Eins, zwei, drei, fertig ist der Serienbrei!

Wird die Hauptroulade in einem derartigen Schmalz-Ragout zudem noch von dem legendären Ex-Winnetou, Pierre (Kalbs-)Brice, gegeben, dann strömen die Fernsehkostgänger an die öffentlich-rechtliche Tafel, wie die Hobby-Indianer zu den Karl-May-Festspielen in Bad Seegeberg.

So oder ähnlich müssen zumindest die ZDF-Fernsehköche gedacht haben. Also entschlossen sie sich, den 62jährigen Apachenchef Brice aus dem Tal der Toten zu holen, um ihn als Tierarzt Camus Auferstehung feiern und Quoten heuern zu lassen.

Camus betreibt in Paris eine tierpsychologische Praxis und ist gerade dabei, einen neurotischen Kater zu kurieren, als ihn ein Anruf nach Deutschland beordert. Das Gut seines Schwagers im Chiemgau droht zu verlottern. Der Grund: die Frau ist tot und der Schwager seitdem depressiv. Camus kommt und beginnt sogleich, die ganze Malaise heldenmäßig wieder ins Lot zu bringen.

Und wie schon so oft liegt das Glück dieser Erde auf dem Rücken der Pferde. Über den Schimmel „Ramboso“ lernt Brice die Architektin Sylvia (Gudrun Landgrebe) kennen. Kurz und gut, Camus hin — Sartre her, Pierre entflammt für die ehedem flambierte Frau, und die Geschichte trabt so vor sich hin.

Einsamer Höhepunkt ist Camus' furioser Ritt auf besagtem „Ramboso“: Plötzlich ist Winnetou wieder da, etwas nostalgisch zwar, hypertonisch und korpulent, aber sicher im Sattel wie eh und je...

War schon das Rezept der Serie wenig originell, so zeugen die Ingredenzien erst recht nicht von Geschmack. Die Insignien der Hautevolée bebildern Die Hütte am See wie einen Warenhauskatalog für Neureiche: dicke Autos, Goldkettchen, Funktelefone und Pierres Brusthaare hängen heraus, wo immer es nur geht. In Verbindung mit der beschworenen Postkarten-Schönheit der Chiemgauer Landschaft ergibt das eine besonders perverse Mischung. Die Handlung selbst hat die Konsistenz von kaltem Käsefondue: Zäh und langweilig schleppt sie sich dahin. Und was die schauspielerischen Leistungen angeht, so sind die Nebenrollen am besten besetzt. Ganz ehrlich, der eine oder andere dieser feuchtsämigen Pferdeblicke rührt selbst einem Allergiker wie mir das Herz.

Alles in allem: In der Hütte am See wird deutsche Hausmannskost vom gröbsten serviert. Sie schmeckt nicht, sättigt nicht, aber bläht gewaltig. Mertin Muser

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