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Warum Beamte ihr Weihnachtsgeld für den bewaffneten Kampf spendeten

Über elf Jahre lang haben LehrerInnen und auch Ärzte in Bremen und umzu über 80.000 Mark für das taz-Konto „Waffen für El Salvador“ gesammelt: Den „Zehnten“ vom Weihnachtsgeld. Die beiden Organisatoren, der Lehrer Frank Dwertmann und Rolf Petersen, halten nach dem Friedensschluß in El Salvador und dem Ende der taz-Kampagne Rückblick.

taz: Haben wir in El Salvador verloren?

Rolf Petersen: Ich sage mal: auf alle Fälle nicht gewonnen. Ich habe Zweifel, daß diese Entwicklung positiv ist, weil die alten Machtstrukturen in El Salvador sich erhalten haben. Die Oligarchie ist weiter an der Macht, Agrarreformen sind immer in Lateinamerika gescheitert, wenn nicht auch eine militärische Macht dahinter stand. Gleichzeitig muß man sehen, daß der entscheidende Machtfaktor der Guerilla, nämlich die Bewaffnung, jetzt fehlt.

Heißt das: Man hätte sich das alles sparen können?

Frank Dwertmann: Nein, man hätte es sich nicht sparen können. Man kann hier nicht in Kategorien wie Sieg und Niederlage denken. Die Frage, die sich 1980 stellte, stellt sich 1992 anders, insofern sind Fragen von „Sieg“ und „Niederlage“ zu stellen.

Eine normale Veränderung, etwa auf dem Wege von Wahlen, war 1979/80 völlig ausgeschlossen. Selbst der katholische Erzbischof Romero hat damals gesagt, das Volk hat keine andere Alternative, auch nur banale politische Äußerungsmöglichkeiten zu realisieren, als den bewaffneten Aufstand. Und auch das heutige Ergebnis wäre ohne diesen bewaffneten Aufstand nicht möglich gewesen.

Wie ist das zusammengekommen, dieses christliche Motiv, den Zehnten zu geben, und die Waffensammlung für El Salvador?

Petersen: Ursprünglich war es nicht ein christliches Motiv, sondern die rein ökonomische Erwägung. Wir haben Kollegen angesprochen, die einigermaßen gut verdienten und auch politisch ungefähr auf unserer Linie lagen. Wir wollten sie nicht mit dem großen Aufruf „Spendet das ganze Weihnachtsgeld für El Salvador“ in Schwierigkeiten bringen, wir wollten deutlich machen, daß man etwas tun kann, ohne seinen Lebensstandard in irgend einer Weise in Frage stellen zu müssen. Weihnachtsgeld ist ja eine einmalige zusätzliche Zahlung zum Gehalt.

Dwertmann: Für mich spielt die alte katholische Tradition des Spendens zu Weihnachten schon eine Rolle. Das habe ich immer erlebt, und das hat mich bei dieser Aktion bestimmt auch beeinflußt. Ich hielt es für richtig, diesen sozialen Implitus politisch zu wenden. Und der bewaffnete Kampf ist eine Sache, wo die katholische Kirche sich nie heran trauen würde, er ist aber hier in diesem Falle legitim: ein Aufstand, den selbst der höchste Repräsentant der Kirche in San Salvador unterstützt.

Wieviel Leute haben gespendet, wieviel ist zusammengekommen?

Petersen: Wenn man alles zusammenrechnet, haben sich im Laufe der 12 Jahre ungefähr 100 Leute beteiligt, und es sind ca. 80.000 DM zusammengekommen.

Dwertmann: Im dritten Aufruf, das war 1984, waren es doch schon 50.000 Mark...

Petersen: Es wurde ja weniger von Jahr zu Jahr, die Kurve ist steil nach unten gegangen.

1991 war die letzte Sammlung?

Dwertmann: Nein, 1990. Bevor die taz jetzt ihre Aktion abgeblasen hat, hatten wir schon gesagt, wir machen es nicht mehr.

Hatten diese Bremer Spender politische Diskussionen über die Sammlung?

Dwertmann: Die hat es natürlich immer gegeben: um den bewaffneten Kampf und ob man den noch unterstützt. Es gibt auch Leute, die zum Teil aus ganz persönlichen Gründen dann nicht mehr gespendet haben. Ich habe einen Freund, dessen zweites Kind ist bei der Geburt gestorben, für den hat das einen völligen Buch bedeutet.

Alles Geld, das ihr gesammelt habt, wurde auf das taz- Waffenkonto überwiesen?

Petersen: Nicht alles. Ein paar kleinere Summen, vielleicht 3.000 Mark insgesammt über drei Jahre sind auch mit der ausdrücklichen Bemerkung gegeben worden, daß damit die Arbeit von Medico International in Salvador unterstützt werden sollte. Nachdem einige gesagt haben, sie hätten jetzt mehr Bedenken mit der Waffensammlung als vorher, da haben wir flexibel reagiert und auch die Möglichkeit organisiert, Medico draufzuschreiben. Das waren aber immer nur zwei bis drei Spenden pro Jahr.

75.000 Tote hat es in El Salvador gegeben in diesen 12

hier bitte den Soldaten

nach rechts und links

in die Lücken kleben, DANKE!

Spendenwerbung mit Revolutionsromantik

Jahren — hat sich der Einsatz der Guerilla und deren Unterstützung gelohnt?

Petersen: Das ist ein entscheidender Punkt. Es geht um die Frage, ob man im Grunde mit dem Geld nicht am Morden teilgehabt hat. Aber wir haben mit unserem Geld den Krieg ja nicht initiiert, sondern in einem laufenden Bürgerkrieg Stellung bezogen. Der Krieg ist nicht ein Produkt der Waffensammlung, der Krieg ist Produkt der sozialen Verhältnisse, er hätte ohne unsere Hilfe genauso stattgefunden. Wir hatten damals die Hoffnung, daß nach zwei, drei Jahren die Revolution ähnlich wie kurze Zeit vorher in Nicaragua siegreich ist. Das das anders kam, lag ja nicht an der Schwäche der Guerilla, sondern an massiver Daueraufrüstung der Armee durch die USA.

Dwertmann: Dennoch ist es natürlich so, daß jeder Krieg ein überflüssiger Krieg ist. Aber Kriege werden auch aufgezwungen. Es war in El Salvador so, daß die bewaffnete Auseinandersetzung der politischen Opposition aufgezwungen worden war. Sie hatte keine Chance, sich zu artikulieren. Ob man von heute aus rückblickend sagen könnte, es hätte vielleicht eine Alternative gegeben — das ist eine ganz andere Frage.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion hat auch für die Guerilla in El Salvador das Ende ihres militärischen Kampfes bedeute. Die westeuropäischen Unterstützer saßen in demselben Boot — haben wir mit der Sowjetunion verloren?

Dwertmann: Ich persönlich habe nie mit der Sowjetunion in einem Boot in El Salvador gesessen. Wenn die Sowjetunion da verloren hat als Weltmacht, dann habe ich da nicht verloren. Wenn es um Ausdehnung der Macht gegangen ist, dann ist das eine imperialistische Politik — die würde ich genauso verurteilen wie die Einmischung der USA. Deshalb kann ich mich mit dieser Fragestellung nicht identifizieren.

Was natürlich richtig ist: Die Rahmenbedingungen sind mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion verändert worden.

Gibt es durch das Ende der Blockkonfrontation neue Spielräume für Konflikte, die bisher nur dem Weltmacht-Konflikt untergeordnet wurden?

Petersen: Das glaube ich nicht. Eher umgekehrt: Weil die Sowjetunion als Machtfaktor international wegfällt, kann der andere Machtfaktor, die USA, ihre Ziele skrupelloser, ohne großen Widerstand international durchsetzen, besonders in Mittelamerika. Ich fürchte, daß in einigen Jahren in El Salvador einige Leute sagen werden: Warum waren wir so verrückt und haben die Waffen niedergelegt.

Keine Hoffnung auf den Friedensprozeß?

Dwertmann: Ich glaube, daß es Verbesserungen geben wird, die unter dem Druck der Stärke der Guerilla-Bewegung zustande kommen. Der Maßstab für unser Engagement ist immer gewesen, daß es soziale und demokratische Veränderungen gibt, revolutonärer Art oder schrittweise, das ist eine sekundäre Frage. Fragen. K.W.

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