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KOSLOWSKIS GITTA PLAUDERT VOM SOFA

Schaller sagt, er isses jetzt endgültig leid. „Nur weil du mal einen erotischen Traum von Gauck hattest, will ich nicht immer über Stasi sprechen müssen“, murrt er verbittert, und ich kann es ihm nicht mal verübeln, wo ich ihm daselbst doch so oft protestantische Schmallippigkeit vorwerfe. Offengestanden kann ich mir diese Affinität zu Gauck auch nicht erklären — „vielleicht weil er die deutsche Columbo-Version ist“, versuche ich es und ernte nur höhnisches Gelächter — „mehr deutsch als Columbo“, ächzt mein östlicher Bekannter, „im Grunde erklärt diese merkwürdige Zuneigung, die ja nicht nur du alleine fühlst, sondern noch zigtausend andere Westschrippen, nur noch mehr eure eigentliche Sehnsucht nach dem guten Bullen von Gottes Gnaden. Als ob Bulle nicht gleich Bulle wäre... und gleichzeitig auch Führer. Einer, der seinerzeit ,Bruder Stolpe‘ durch vergiftete mecklenburgische Fauna und Flora führte und heute Häuptling Silberlocke durch verstaubte und überhitzte Aktenordner-Zimmer...“ Was ist nur aus meinem stillen und feinen Ostler geworden? Wie schnell hat er mich in aufgeklärtem Zynismus überholt! Beruhigend streicht mir Schaller durchs bestürzte Gesicht: „Es ist nur das indianische Medizinrad“, sagt er, „eine Übung, die in den derzeitigen Managerkursen von Westlern für Ostler abgehalten wird, Rollenspiele sozusagen — irgendeine Position einnehmen, sich eine Sichtweise vorstellen und aus der heraus argumentieren — aus der geistigen Kälte des Nordens oder der gefühlvollen Geborgenheit des Westens, aus der Rationalität des Ostens oder der unschuldigen Neugierde des Südens — das darf man natürlich nur metaphorisch verstehen. Und so begibt man sich in irgendeinen Realitätstunnel...“ „... aus dessen Dunkel man dann herausschreit, was? Mit euch können ses ja machen“, lache ich verächtlich, „und natürlich wissen sie auch genau, daß ihr es am liebsten von den Indianern und nicht etwa aus der Personalführungsstrategie von Exxon oder Philip Morris lernt. Und am liebsten habt ihr natürlich das Ding mit der Unschuld, als wenn es so was beim Menschen gäbe!“ Schaller ist erstaunt über meine Verbitterung.

„Das liegt wahrscheinlich am Wetter, aber wir müssen mit dieser rein geografischen Ost-West-Auseinandersetzung aufhören“, sagt er, „sowieso wird keiner von uns den anderen und seine Geschichte wirklich verstehen, laß uns lieber mal eine Kreisdiskussion führen und aus ganz entgegengesetzten Richtungen heraus sprechen“, und holt natürlich wieder mal seine letzte Bettlektüre, diesmal Krishnamurti, diesen Yoga- Meister, der kein Meister sein wollte, um mir die Lage zu erklären: „Unschuld kann es nur geben, wenn das Gestern tot ist. Aber wir geben das Gestern nie preis. Man muß sich jeglichen Tag von jeglichem Ding lösen, das der Geist ergriffen hat und woran er festhält. In der Freiheit liegt Verwundbarkeit. Es kommt nicht eins nach dem andern — es ist alles eine Bewegung — in Wirklichkeit ist es die Fülle des Herzens, die unschuldig ist.“

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