piwik no script img

Theaterträume wahr gemacht

■ Premiere: das Bremer Musical-Projekt „Ratabanahs Zauber“ mit 150 Mitwirkenden

Amateur kommt vom lateinischen Wort für Liebe und bezeichnet im Grunde eine sehr sympathische Gruppe von Mitmenschen: die Liebhaber der Künste. 150 junge BremerInnen haben gerade eine intensive Affäre mit dem Theater, und am Samstag abend zeigte sich auf der Bühne des Ernst Waldau Theaters, ob sie dabei auf Gegenliebe stießen.

Von den Irrungen und Wirrungen in einem Theater handelt auch das Musical „Ratabanahs Zauber“, und das ist ein kluger Dreh. Zum einen spielen durch diese Doppelung die Mitwirkenden ja immer auch sich selber: als Schauspieler, Tänzer, Sänger, Musiker usw. bei Proben für eine Aufführung. Andererseits wird so der Traum vom Theater, der alle zu dieser großen Anstrengung motiviert hat, auch zum Thema des Stückes.

Und diese Grundstimmung bestimmte die ganz Aufführung, sodaß nichts schiefgehen konnte. Natürlich lief nicht alles perfekt: Rückkopplungen, ein vergessenes Mikrophon, stolpernde Tänzerinnen usw., aber all das störte nicht weiter, und wenn man bedenkt, daß vier verschiedene Tanzgruppen, ein Chor, Solotänzerinnen, Akrobaten, 13 Schauspieler und 8 Musiker im Orchestergraben genau im Takt des Musicals zusammenspielen mußten, und das ohne jede Bühnenerfahrung, dann war die Zahl der Patzer ganz erstaunlich gering.

Und das, obwohl die Mitwirkenden es sich wahrlich nicht leicht gemacht hatten: Das Stück war vollgestopft mit Regie-Einfällen. Zu Beginn der beiden Akte gab es kurze Einführungen durch einen Clown, der die Marionetten der beiden Hauptpersonen mit den Fingern tanzen ließ. Es gab einen Spiegel, der jeden verdoppelte, der in ihn hineinsah, sodaß Putzfrau, Direktorengattin und schließlich ganze Tanzgruppen sich mit ihren exakten Ebenbildern herumschlagen mußten. Sogar eine Venusstatue wurde zum Leben erweckt und tanzte ein Solo-Ballett.

Das ganze Theater wurde durch die Zaubereien der Hexe Ratabanah ins Chaos gestürzt. Rike Michaelsen spielte die Hexe sehr böse und energisch; Peter Welter war als Serafin Rodriguez ein haare-raufender, bullbeißiger Theaterdirektor. Andere Schauspieler sangen oder tanzten in längeren Soloparts, aber die zum Teil sehr beachtlichen Einzelleistungen traten hinter dem Gesamteindruck zurück.

Immer spürte man, wieviel liebevolle Sorgfalt und Arbeit in der Produktion steckte. Aus jedem Detail, selbst der Eintrittskarte und dem Programmheft, sprach diese schwärmerische Leidenschaft für das Theater. Schon während der Vorführung gab es oft stürmischen Szenenapplaus (die Familienbande zwischen Bühne und Publikum waren in diesem Falle außergewöhnlich fest), und nach der Vorstellung wurde ausgiebig geklatscht. Die Aufführung endete so glücklich wie das gespielte Stück, und deshalb trafen die abschließenden Worte des Clowns sicher auch für die meisten Mitwirkenden auf der vollbesetzten Bühne zu: „Dies war vielleicht der herrlichste Moment für seine Theaterseele“. Wilfried Hippen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen