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Rasta la vista

■ Die Weltsicht der Rastafari im Haus der Kulturen der Welt

Nichts zeichnet die Rastafari- Bewegung so sehr aus wie die Unterschiedlichkeit ihrer Anhänger. Dreadlocks, Strickmützen und Dope-Rauchen sind individuelle Attribute. Eines steht jedoch fest: der Titel Rastafari leitet sich ab vom vorimperialen Namen des letzten äthiopischen Kaisers. Bevor dieser als Haile Selassie I. 1930 den Thron bestieg, war er als Ras (Fürst) Tafari Makonnen bekannt. Der verstorbene Herrscher ist für alle Rastas eine zentrale Figur — in welcher Funktion allerdings, darüber gehen die Meinungen wieder auseinander. Ob Haile Selassie Gott selbst ist oder der wiedergekehrte Messias christlicher Prägung, ob er Befreier der schwarzen Rasse oder nur deren Repräsentant ist, wird auf Jamaika unterschiedlich gedeutet.

Auch über die eigene Namensgebung sind die Meinungen geteilt. Manche bezeichnen sich selbst als Rastafari mit der Betonung auf dem i, das englisch »ai« ausgesprochen wird. Andere ziehen den Ausdruck Rastafarians vor. Wieder andere nennen sich Rasta, wobei die zweite Hälfte des Namens, »Fari« also, die Bezeichnung für alle bösen, fehlgeleiteten Menschen im kapitalistischen Babel abgibt.

Entstanden in den dreißiger Jahren als »Zurück-nach-Afrika«-Bewegung, hat sich Rasta seitdem auf Jamaika zu einer allgemeinen Weltsicht entfaltet. Die Anleihen beim Alten und Neuen Testament, der karibischen Mystik und Ideen schwarzer Emanzipatoren wie Marcus Mosiah Garvey, dem Gründer einer großen Schwarzen-Bewegung in den Vereinigten Staaten, sind dabei unübersehbar. Entsprechend bekannt sind die zusammengesuchten Wertbegriffe: »Jah«, abgeleitet vom hebräischen Gottes-Wort Jahwe, »Babylon«, die Welt der Jetztzeit, in welcher die Nachkommen afrikanischer Sklaven ausgebeutet werden, und »Unity«, die Rückkehr zur Einheit allen Seins.

Waren es zunächst die Ärmsten der Insel, die durch Bart und ungekämmtes Zottelhaar als Angehörige der Bewegung identifizierbar waren, hat Rastafari vor allem in der ersten Hälfte der siebziger Jahre Anhänger aus anderen sozialen Schichten gewonnen. Treibsatz der Marihuana- schwangeren Weltsicht war dabei die Reggae-Musik. Heute, zehn Jahre nach dem Tod Bob Marleys und der weltweiten kommerziellen Anerkennung des Reggae, hat die Bedeutung der Bewegung im öffentlichen Leben Jamaikas nachgelassen. Höchste Zeit also für unsere von Exotik faszinierte westliche Welt, Ethnologen zu einer Bestandsaufnahme loszuschicken.

Ergebnis einer Spurensuche im vergangenen Herbst ist die Ausstellung »Rastafari-Kunst in Jamaika« im großen Schauraum des Hauses der Kulturen der Welt. 1991 eingesammelt wurde jedoch nur ein Teil der Exponate: die anderen Kunstwerke stammen aus der Sammlung des Übersee-Museums in Bremen, wo die Ergebnisse eines Beutezugs von 1980 für gewöhnlich als ständige Ausstellung verwahrt werden.

Zu sehen sind ausschließlich Bilder — noch dazu solche, die erst in den vergangenen fünfzehn Jahren entstanden sind. Bemalte Kalebassen, Plastiken und Flechtwerk bleiben leider außen vor. Zudem werden Wandmalereien als großformatige Fotografien präsentiert. Die meisten Bilder zeichnen sich nach europäischen Maßstäben durch einen naiven Malstil aus. Die Grenzen zum Comic, zur Popart und — sehr vereinzelt — zum Expressionismus überspringen die vom Leiter der Jamaikanischen Nationalgalerie als »Intuitive« titulierten Künstler ohne Scheu.

Bei Betrachtung der wenigen Motive, die im Bilder-Kanon der Rastafari-Künstler auftauchen, wird klar, welche Funktion der Malerei zukommt: Propaganda für die Sache zu machen. Löwen, das afrikanische Tier schlechthin, von Fotografien abgemalte Portraits von Haile Selassie und alttestamentarische Szenen werden immer wieder in die Farben der Bewegung getaucht: Rot, Gelb, Grün — und Schwarz. Nach dem Höhepunkt der Rastafari-Bewegung hat sich der Kanon erweitert. Art Artwell und seine Frau Delores Anglin malen nach einer Phase mit Bibelillustrationen heute idealisierte Szenen des täglichen Lebens auf der Insel. Am schönsten sind jedoch die Portraits von Rasta-Männern — Rasta ist eine stur männliche Kultur — die Ras Dizzy angefertigt hat. Mild und mit wilden Dreadlocks blicken die bekifften Outlaws vom Karton in die öde Halle.

Gemalt wird auf Materialien, die preiswert oder kostenlos verfügbar sind: Preßpappe, Holz und Jeansstoff. Außerdem kann der Besucher durch ein Ensemble von in Kopfhöhe aufgehängten Ölfaßdeckeln wandeln. Der Ethnologe Wolfgang Bender, der neben der aktuellen Ausstellung bereits die Rastafari-Bestände des Bremer Übersee-Museums zusammengetragen hat, konnte den Künstler Nassa King dazu bewegen, eine große Menge von Faßdeckeln beidseitig zu bemalen, um der Schau im Haus der Kulturen etwas frischen Lackglanz zu schenken. Die meisten der an einem einzigen Tag entstandenen Deckel zeigen Figuren der schwarzen Emanzipation von Ray Charles bis Winnie Mandela.

Den Mangel an emotionaler Wärme, den Besucher im Gästebuch zur Ausstellung beklagen (die weißgetünchten Schauräume werden als unpassend empfunden), können auch die Videofilme über das Leben der beteiligten Künstler nicht auffangen, die in einem Nebengelaß gezeigt werden. Zu Recht bemerkt einer der Schreiber: »Wo ist hier das Raucherzimmer, und warum läuft kein Reggae?« Stefan Gerhard

Rastafari-Kunst in Jamaika ist im Haus der Kulturen der Welt, John- Foster-Dulles-Allee 10 (Tiergarten) bis zum 5. April von Dienstag bis Donnerstag (14 bis 18 Uhr) und von Freitag bis Sonntag (10 bis 20 Uhr) zu sehen.

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