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DIE FÜNFTE GEWALT - WEGE DURCH DEN MEDIENDSCHUNGEL: ADAC Motorwelt/Welt/Frankfurter Rundschau/Süddeutsche Zeitung/Wirtschaftswoche

Otto Flimm ist der Vorsitzende des größten deutschen Vereines, und sein Clubblättchen heißt ADAC motorwelt. Seine Krankengeschichte ist lang und endet noch nicht bei neurotischen Projektionen wie „Alle reden immer nur vom Auto...“, aber wir wissen: Solchen seelisch bedrängten Kreaturen müssen wir unsere ganze Aufmerksamkeit schenken, wollen wir sie nicht für immer aus dem Kreise der Gemeinschaft verlieren. Also hören wir mal kurz zu, wie sich Klein-Otto die Welt vorstellt: „Die Menschen können mit Messer und Gabel essen...“ — alle außer Otto, der alte Kolbenfresser — „...oder auch mit Stäbchen...“ — aha, er meint die Peilstange, das biegsame und lange Phallussymbol des Autofetischisten, aber weiter: „...sie können in Betten schlafen...“ — vom Hockenheimring träumen — „...oder auch in Hängematten...“ — oder von der heimischen Carrera- Autobahn — „...sie können sich Briefe schreiben...“ — Sehr geehrtes ADAC-Mitglied, leider konnten wir den Eingang ihres Jahresbeitrages noch nicht... — „...oder auch miteinander telefonieren.“ Da sage doch einer, ein ADAC-Präsident müsse ein schlicht gestrickter Mann sein. Ganz im Gegenteil: So was darf bei uns sogar mit einem Auto durch die Straßen gurken. Ganz legal.

Das schöne an unserer Demokratie ist die Meinungs- und Pressefreiheit. Jeder Journalist darf bei uns sagen und schreiben, wie es seinem Verleger beliebt. Am letzten Freitag z.B. eskalierte in den Redaktionen vieler überregionaler Tageszeitungen der Wettbewerb um den knalligsten Wirtschaft-Aufmacher. Die Welt präsentierte ihren Versuch bündig: „Telekom wird Volksaktie“. Das ist doch richtig fetzig, das sitzt, wackelt und macht schlechte Luft. Schon müssen sich die linksliberalen Frankfurter Würstchen aber richtig anstrengen. Konferenzen, Brainstolpering. Endlich hat man die Zeile, die auch für die Seite 1 paßt: „Telekom soll Volksaktie werden“. Da haben die Macher der Frankfurter Rundschau aber eine kritische Distanz zu Waigels Telefon-Privatisierungsplänen an den Tag gelegt — alle Achtung! Der Streit kocht hoch, die Meinungsturbulenzen überschreiten die Weißwurschtgrenze, auch die Süddeutsche Zeitung will ihren bayrischen Süßsenf dazugeben: „Telekom soll Volksaktie der 90er Jahre werden“. Schön, dieses Panoptikum bürgerlicher Meinungsvielfalt.

Die da unten sollen malochen (wenn man sie läßt) oder sich ruhig verhalten — unverschämte Lohnforderungen, Streiks gar is' nich'. Etwas eleganter drückt das immer Wolfram Engels, Herausgeber der Wirtschaftswoche, in seiner gnadenlos allwöchentlichen Kolumne aus: „An der harten Tatsache, daß irgend jemand im Ergebnis schlechter gestellt werden muß...“ — bei den derzeitigen Verteilungskämpfen — „...läßt sich ... nichts ändern.“ Nun bestehen manche Unbelehrbare darauf, daß bei der Erhöhung des monatlichen Verdienstes der Arbeitenden eine Sechs vor dem Komma stehen muß — die Unternehmergewinne seien seit Jahren deutlich stärker gestiegen. Der Manchester-Liberale ohne Marx- und mit Engels-Zunge: „Ob nun eine Rendite von zehn Prozent viel oder wenig ist — das ist keine Frage der Gerechtigkeit. Kapital ist mobil; es wird dort angelegt, wo die Konditionen am besten sind.“ Demnächst wieder verstärkt bei den Schlitzaugen, den Negers und anderen Hungerleidern.

Steinbach wütend: Schreibtischtäter in die Produktion.

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