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Russische Pläne für den Ausnahmezustand

Moskau (afp/ap) — Die Regierung Rußlands hat angesichts des wachsenden Unmuts in der Bevölkerung über die drastischen Wirtschaftsreformen schon mal vorgesorgt. Im Falle eines Massenprotestes will Jelzin nicht untätig zuschauen, sondern handeln: Die Pläne für die Verhängung eines Ausnahmezustandes liegen bereits in der Schublade. Das berichtete das Fernsehen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) unter Berufung auf informierte Regierungskreise. Die mögliche Ausrufung des Ausnahmezustands sei als „logische Folge“ kurz vor der Sonntagsdemonstration ins Auge gefaßt worden, bei der über 100.000 Jelzin- Gegner und -Befürworter durch die Moskauer Straßen zogen.

Eine weitere Bedrohung für die russische Führung stellen die sich vor aller Augen formierenden „rechten Kräfte“ dar. Während die DemonstrantInnen am Sonntag vor dem Kreml „den starken Mann“ forderten, wählten nationalistische Gruppierungen eine „Russische Volksversammlung“. Ziel der Bewegung ist die „Wiederbegründung eines starken und einigen russischen Staates in seinen historischen Grenzen“. Die „Volksversammlung“, etwa 1.500 Vertreter kleiner nationalistischer Gruppierungen, soll eine Alternative zu den beiden Organisationen „Bewegung Demokratisches Rußland“ (pro Jelzin) und „Bewegung für demokratische Reformen“ (pro Schewardnadse) bilden.

Im Abschluß-Kommuniqué der Gründungsversammlung der „Russischen Volksversammlung“ heißt es nach Angaben der Agentur ITAR- TASS: „Die jetzige Regierung der nationalen Schmach muß durch eine Regierung der Eintracht ersetzt werden.“

Recht und Besitz der russischen Bevölkerung könnten ausschließlich von einer starken Regierung garantiert werden. Weiter sprach sich die „Russische Volksversammlung“ gegen die „Verteilung des russischen Bodens“ aus und forderte den Rücktritt von Außenminister Kosyrew. Die Überlassung der Krim an die Ukraine durch Chruschtschow müsse als „nicht-verfassungsgemäß“ angesehen werden.

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