: GUS-Hilfe füllt nur wenige Regale
Die „Operation Hoffnung“ läuft/ Hilfsflüge konzentrieren sich auf Moskau und Sankt Petersburg/ Anzahl der Starts und Landungen von Lärmschützern weit überschätzt/ Nur 54 Flüge sind geplant ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt/Main (taz) — Weil die Lärmschützer im Rhein-Main-Gebiet schon im Vorfeld der Ereignisse auf dem Rollfeld auf die Barrikaden gingen, sah sich der hessische Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) genötigt, die Bevölkerung um „Verständnis“ für die seit dem Montag tragfähige Luftbrücke in die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zu bitten. Doch die Lärmschützer um den Rüsselsheimer Dermatologen Denk, die in der Region seit Jahren vor allem gegen den in der Nacht von startenden und landenden Flugzeugen verursachten Geräuschpegel kämpfen, haben die Zahl der Hilfsflüge für die GUS offenbar weit überschätzt. Was von Bundesaußenminister Genscher am Montag mit der Luftbrücke der Alliierten während der sowjetischen Blockade Berlins in den Nachkriegsjahren verglichen wurde, ist für die Verantwortlichen der Frankfurter Flughafen AG (FAG) noch nicht einmal ein flugtechnisches Koordinationsproblem: „Bei rund 1.000 Flugbewegungen pro Tag spielen die paar Maschinen, die in diesen Tagen zusätzlich vom Rhein-Main-Flughafen und von der Airbase aus starten, kaum eine Rolle — trotz der laufenden Reparaturarbeiten am Parallelbahnsystem.“
Tatsächlich sind insgesamt nur 54 Hilfsflüge zu 23 Zielorten in der Ex- Sowjetunion geplant. „Damit können nicht alle leeren Regale in Lebensmittelgeschäften und Apotheken gefüllt“ werden, bemerkte US- Außenminister Baker am Montag. Eine Sprecherin der Frankfurter US- Airbase erklärte gestern auf Nachfrage, daß von der Base aus in den nächsten zwei Wochen exakt lediglich 26 Maschinen vom Typ „Galaxy“ und vom Typ „Starlifter“ in verschiedene Städte der GUS fliegen — unter anderem nach Moskau, St. Petersburg, Alma Ata, Baku, Ulan Ude und Nowosibirsk. Zusätzlich sei der Einsatz von sieben weiteren Transportmaschinen von einer US- Base in der Türkei aus geplant. Die US-Amerikaner liefern vor allem Medikamente und Nahrungsmittel aus Beständen, die sie ursprünglich für den Golfkrieg eingeplant hatten. Von geplanten Nachtflügen, so US- Airbase-Sprecherin Petrakowski, könne — was die Rhein-Main-Airbase anbelangt — nicht die Rede sein: „Die Piloten haben Order, nach dem Ausladen der Hilfsgüter sofort wieder zur Base zurückzukehren. Da kann es schon einmal passieren, daß eine Maschine in den Abendstunden hier eintrudelt. Vor 5.30 Uhr ist aber kein Start geplant.“ Nach ihren Informationen, so Petrakowski weiter, würden von den an der Hilfsaktion beteiligten Staaten alle elf GUS-Republiken „abgedeckt“.
Die erste Maschine mit Hilfsgütern aus Japan landete am Montag in der russischen Stadt Chabarowsk. Finanziell und/oder mit Hilfsflügen wird die „Operation Hoffnung“ (Baker) von diversen EG-Staaten, Kanada, Japan, den USA, der Bundesrepublik, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Chile und Norwegen unterstützt.
Im Auftrag des Auswärtigen Amtes in Bonn sind bislang ganze vier Maschinen von German Cargo, einer Tochtergesellschaft der Lufthansa, mit insgesamt 400 Tonnen Hilfsgütern an Bord in die GUS geflogen — „ein Jumbo und drei DC-8- Flugzeuge“. Wie German-Cargo- Sprecher Ingo Rössler auf Nachfrage der taz erklärte, seien alle vier Maschinen der Gesellschaft nach Moskau geflogen, obgleich zwei Transportflugzeuge ursprünglich in Engels (Ukraine) und in Nowosibirsk landen sollten. German Cargo hatte vorab zwei erfahrene Piloten nach Moskau geschickt, doch seien von den beiden Flughäfen keinerlei Daten oder gar Karten zu bekommen gewesen. Und deshalb habe man den Anflug auf Engels und Nowosibirsk nicht wagen können. Rössler: „Ohne das werten zu wollen, muß man sagen, daß die Infrastrukturen dort — von Moskau, Kiew und St. Petersburg abgesehen — extrem schwach ausgeprägt sind.“ Die Ausstattung der Flughäfen, die auf keiner Karte verzeichnet seien, weil sie in ehemals militärischem Sperrgebiet liegen würden, müsse als „viel schlimmer als etwa in Afrika“ bezeichnet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen