: Ich geh' meilenweit und kaufe nichts
■ Camel-Reklame füllt nicht die Kassen/ EG-Parlament beschließt Werbeverbot für Tabakindustrie
Berlin (taz) — Die harten Rechner bei Camel haben sich ganz offensichtlich verschätzt, als sie dem Mann mit den durchgelatschten Sohlen kündigten. Obwohl sie vermutlich 40 bis 60 Millionen in die neue Kampagne mit den pfeifenden Kamelen investierten, zeigt der Jahresbericht des Herstellers: Der Marktanteil ist um 0,1 Prozent gesunken. Die meisten hierzulande sind eben „deutsch, bierernst wie eh und je“, meint Henning Haase, Professor für Markt- und Kommunikationspsychologie. Während Camel früher vor allem in Männermündern steckte — „Frauen wollen nicht wie Rambo auftreten und bevorzugen leichte Zigaretten“, so Haase —, bedeutet das Umsatteln auf einen leicht intellektuellen Witz offenbar eine Verwässerung des Images — und damit einen Markteinbruch bei Möchtegernabenteurern im Büro. „Die Werbung wird zwar von jungen Leuten goutiert, auf die die Kampagne ja auch in erster Linie abzielt, aber das führt offenbar nicht zu entsprechendem Kaufverhalten“, konstatiert der Werbepsychologe. Sowieso sei Reklame oft „Glückssache“, und „ein großer Coup“ gelinge auf dem heiß umkämpften Tabakmarkt nur selten.
Aber das alles kann den Werbern bald vielleicht sowieso egal sein: Nach einer heftigen Debatte hat das Europaparlament beschlossen, daß außer am Zigarettenkiosk in Zukunft nicht mehr für die krankmachenden Glimmstengel geworben werden darf. Die Christdemokraten hatten zwar Seit' an Seit' mit den mit den deutschen Sozialdemokraten versucht, den Werbefirmen die dicken Pfründe zumindest teilweise zu sichern. Die CSU-Abgeordnete Ursula Schleicher wetterte: Ein Werbeverbot ist eine „dirigistische Maßnahme und Mißachtung des mündigen Bürgers“.
Aber alles Zetern half nicht. 150 Abgeordnete stimmten für ein Reklameverbot ab Januar 1993. Dennoch brauchen die Tabakgiganten nicht zur Beruhigungszigarette zu greifen: denn das machtlose Parlament muß jetzt erst einmal die Kommission unterrichten, die dann den Ministerrat berät. Und da sind die Mehrheiten eindeutig gegen das Werbeverbot. So kann man nur hoffen, daß sich die Camel-Werbung durchsetzt: Mehr lachen und weniger qualmen. aje
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