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Kleines Himmelreich vom laufenden Meter

■ Bremer Zuschußtopf für Dachbegrünung 1991 voll ausgeschöpft / Über 20 Dächer zu Wiesen umgestaltet

Die „hängenden Gärten“, die Nebukadnezar seiner Frau über dem Palast in Babylon anlegen ließ, galten noch als „Weltwunder“. Der einst größte Dachgarten Europas entstand zur Weltausstellung 1929 in Berlin auf dem Dach von Karstadt — 4.000 Quadratmeter groß. Mittlerweile erfahren Dachgärten eine Renaissance, um dem staubigen Klima betonierter Großstädte ein wenig Leben entgegenzuhalten.

Auf 22 Bremer Dächern sind im vergangenen Jahr Mooswiesen und Kräutergärten entstanden. Ein Viertel der entstandenen Kosten hat die Umweltbehörde bezahlt. Der eigens bereitgestellte Etat zur Dachbegrünung (seit 1988 je 30.000 Mark) reichte deshalb zum ersten Mal nicht aus: Um weiter jede Maßnahme unterstützen zu können, wurde deshalb für 1992 das Programm gestreckt, die Höchstgrenze pro Zuschuß auf 3.000 Mark begrenzt.

Bei Detlev Block, dem zuständigen Mann in der Umweltbehörde, sind vor allem Anträge zur Begrünung von Garagen- und Vordächern eingegangen. 20 bis 30 Quadratmeter groß ist die Durchschnittsfläche, die BremerInnen begrünen wollen. Da ist das Hallenbad in Osterholz-Tenever mit stattlichen 1.100 Quadratmetern noch die Ausnahme.

Doch zunehmend setzen auch Gewerbebetriebe auf Dachbegrünung. Ob die aber als ausreichende Ausgleichsmaßnahme für Versiegelungen anzusehen ist, bleibt dahingestellt. Die Behörden prüfen jedenfalls, inwiefern sie Dachbegrünung in Landesbauordnung und Bebauungsplänen verankern können.

Je dicker die Substratschicht ist, auf der die Pflanzen ausgesät oder gesetzt werden, desto größer wird das Gewicht, das die Dachkonstruktion aushalten muß. Es liegt für die sogenannte extensive Begrünung bei 30 bis 100 Kilogramm pro Quadratmeter (zum Vergleich: eine normale Schneelast wird mit 80 Kilo angenommen). Ein Architekt sollte das Projekt in jedem Fall begleiten.

Gerade Bremer Häuser mit ihren zum Teil schon sehr alten Dächern halten am ehesten die „Meterware“ aus: Vorkultiviert wird diese Dachbegrünung bereits fix und fertig in Vegetationsmatten angeboten. Deren Substrat-und Dränageschichten sind zwischen zwei und sieben Zentimetern stark, in unterschiedlichen Variationen sind sie auf Matten aus Polyestergewebe oder auf Kunststoff-Noppenbahnen aufgebaut.

Vorteil dieser Systeme: Sie sind relativ kostengünstig (100 bis 200 Mark pro Quadratmeter) und (nach einmal Wässern) quasi sofort „fertig“. Moose, Gräser, Kräuter und Sedumarten (=Steingartenpflanzen) wurden mit den Matten auf freiem Feld sechs bis neun Monate vorkultiviert. Diese Dachbegrünung braucht keine Pflege. Die bestehende Dachabdeckung wird langfristig geschützt, das Regenwasser zurückgehalten.

Je nach den Witterungsverhältnissen setzen sich auf dem Dach nur die dort überlebensfähigen Pflanzen durch. Weil sie da extremen Trockenperioden unterworfen sind, kann der Garten auch schon mal unansehnlich braun werden. Beim ersten Regenschauer, so die Experten, seien die Pflanzen aber wieder da.

Die Dachbegrünung ist nicht nur ein Gewinn für Augen und Nasen, sie ist auch Lebensraum für höchstmobile Lebewesen: Regenwürmer und Asseln wird man allerdings auf dem Garagendach kaum finden — sie brauchen die Rückzugsmöglichkeit ins Erdreich. Aber Käfer, Hummeln und Bienen siedeln sich schnell in den Mooswiesen an. Dies haben Biologen in Heidelberg herausgefunden, die den ökologischen Nutzen solcher Dächer erforschen. ra

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