Der Katastrophe erster Teil

Wie oft quälen den Gerechten echte Zweifel, ob im Theater der ästhetische Aufwand das gesellschaftliche Engagement auch wirklich deckt. Hoher Kunstanspruch erschlägt allzuoft die hehre Wirkung. Doch wie elitär der Gestus immer sein mag, meist läßt sich hernach wenigstens gesellig plaudern, und beim gepflegten Bier ein gepflegtes Wort zu finden, ist noch möglich. Die neueste Produktion an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz allerdings verschlägt einem den diskursiven Atem ganz: der schlechte Mundgeruch verquaster Kunstvorstellung fault dem Wohlgesonnensten in die Nase und öffnet trüber Stimmung Tür und Tor. So enervierend schlecht kam selbst hier, wo die starke Hand eines Kunstanleiters schon länger fehlt, kaum etwas auf die Bretter, die sich einmal mehr weigern müßten, in einem Atemzug mit Welt genannt zu werden. Der Schutzpanzer des Engagements versagt entrüstet seine Wirkung, und das Lachen des erstaunten Publikums durchbohrt das kränkliche Ansinnen mit Nachdruck.

Goethes Iphigenie soll das sein, was da geboten wird? Die »antikisierte« Fremde, die deutscher kaum das Wort je fand, muß den Kopf hinhalten, damit eine Regisseuse, Wera Herzberg mit Namen, ihre Einfallslosigkeit und ihr Unvermögen, aus Schauspielern Menschen erstehen zu lassen, ausleben darf (Warum bloß und wozu, wozu?).

Ein Diskurs übers Fremdsein war geplant; was nun herauskam, ist befremdend und beeindruckt allein durch einen schier übergreifend angelegten Dilettantismus. Stammelnde Stimmen, ratlos. Leere Bilder, nutzlos. Steife Gesten, was ist da bloß los? Gäbe es so was wie einen Schutzheiligen fürs theatrale Angebot in dieser Stadt, er hätte seinen Blitz schon vor der Premiere in diesen ungeschlachten Haufen Elend fahren lassen und allgemein erspart, daß man hernach sprachlos und gebeutelt in den Kneipen säße, bis der Schock vergeht. Von den großen Zielen, die dieses Projekt annonciert, mag man kaum berichten, so gelassen, mag man die großen Worte von Fremdenhaß, von Toleranz und Idealismus nicht aussprechen.

Es ist ein Projekt, das hauptsächlich mit fremdländischen Schauspielern verwirklicht wurde, doch werden sie hier nur ausgenutzt, sich mit deutscher Klassikersprache herumzuschlagen.

In Bildern, die so statisch sind, daß müde Augen sich bald schlössen, wäre das Erstaunen nicht so groß, daß so was wirklich möglich ist. Arrogant wage ich zu zweifeln, ob es gelingt, einen zu finden, der über der Katastrophe zweiter Teil zu berichten in der Lage ist, da er nicht spätestens die Pause zum Abgang nutzte. b/Foto: David Baltzer/Sequenz