: Rushdie: „Ich kann das überleben“
Der Schriftsteller fordert von der britischen Regierung, Druck auf den Iran auszuüben/ Protestaktionen gegen das Todesurteil des Ayatollah-Regimes in Straßburg und London ■ Von Ralf Sotscheck
Die britische Regierung soll endlich mehr Druck auf den Iran ausüben, damit das Todesurteil gegen ihn aufgehoben wird. Das forderte der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie, auf den die iranischen Behörden wegen seiner angeblich blasphemischen Satanischen Verse ein Kopfgeld in Höhe von drei Millionen Dollar ausgesetzt haben.
„Es gibt nur einen Weg, diese Situation zu bereinigen, und das ist die Intervention von Regierungen“, sagte Rushdie in einem Interview mit der BBC am Donnerstag. „Die britische Regierung muß der iranischen Regierung klarmachen, daß diese terroristische Drohung gegen einen ihrer Bürger unakzeptabel ist und aufgehoben werden muß, bevor sich die Beziehungen zwischen Großbritannien, Europa und dem Iran verbessern können. Man muß den Iran davon überzeugen, daß das in seinem eigenen Interesse ist.“
Die Vorwürfe, er könne sich als einzelner nicht in internationale Beziehungen einmischen, wies Rushdie zurück: „Das kann man auch umdrehen und sagen: Gerade weil ich nur ein einzelner bin, läßt sich das Problem sehr leicht lösen, wenn nur der Wille dazu vorhanden ist. Aber man kann auch darauf hinweisen, daß es eben nicht nur um ein Einzelschicksal geht. Ich bin ja nicht der einzige, der in der Fatwa erwähnt wird. Wenn man die ganzen Drucker, Herausgeber und all die anderen zusammennimmt, die sonst noch damit zu tun haben, geht es in Wirklichkeit um Tausende von Menschen. Darf denn der Iran einen Übersetzer töten, wenn er dazu Lust hat, weil wir Waffen und Butter verkaufen müssen? Das ist nicht akzeptabel.“
Rushdie will die Taschenbuchausgabe der Satanischen Verse in Zusammenarbeit mit einem Kleinverlag herausbringen, nachdem die Rechte im Januar an ihn zurückgefallen sind. Der Originalverlag „Penguin“, dessen Büros und Buchläden in den vergangenen drei Jahren wiederholt Ziel von Bombenanschlägen geworden sind, hat von seiner Taschenbuchoption keinen Gebrauch gemacht. Das Verlagsgebäude ist inzwischen wie eine Festung gesichert: Besucher werden durchsucht, müssen ihre Aktentaschen röntgen lassen, einen numerierten Ausweis um den Hals tragen und dürfen sich nur in Begleitung des Wachpersonals im Gebäude bewegen.
Rushdie hat sich darauf eingestellt, auf unbestimmte Zeit versteckt leben zu müssen: „Ich kann das überleben“, sagte er. „Wenn man mich vor drei Jahren gefragt hätte, ob ich theoretisch so lange überleben könnte, hätte ich geantwortet: Nein, auf gar keinen Fall.“
Am dritten Jahrestag des Mordaufrufs gegen Rushdie unterzeichneten 115 Mitglieder des Europaparlaments in Straßburg eine Resolution, die alle EG-Staaten aufruft, Iran zum Einlenken zu bewegen. In London legten Schriftsteller und Politiker Blumen an einem Denkmal für Opfer nieder, die wegen ihrer Überzeugungen getötet wurden. Der Vorsitzende des Internationalen Komitees zur Verteidigung von Salman Rushdie, Frances De Souza, sagte: „Drei Jahre sind genug.“ Autorin Fay Weldon meinte: „Rushdie ist die letzte Geisel. Er muß freigelassen werden.“
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