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Abrüstung künftig im großen Wurf

■ USA und Rußland wollen die Zahl atomarer Sprengköpfe auf Interkontinentalraketen drastisch beschränken/ Endlose Debatten über kleinste Details sollen beendet werden

Moskau (afp/ap/taz) — Die USA und Rußland wollen eine Abrüstungsinitiative in Gang bringen, die weit über bisher getroffene Vereinbarungen hinausgeht. Nach einem Gespräch mit seinem US-Kollegen James Baker, der gestern eine Reise durch sechs GUS-Länder beendete, sagte Rußlands Außenminister Andrej Kosyrew am Dienstag in Moskau: „Wir denken daran, alle Waffen zu vernichten, die in den vergangenen Jahrzehnten aufgehäuft wurden.“ Baker, der ebenfalls an der Pressekonferenz teilnahm, betonte, es sei ein neues politisches Zeitalter angebrochen, „weshalb wir die Fragen der Abrüstung und Waffenkontrolle nun auf andere Art und Weise angehen können“. Ausgangspunkt der beiden Außenminister waren Ankündigungen ihrer jeweiligen Chefs in den letzten Wochen. Nachdem zuerst US-Präsident Bush vorgeschlagen hatte, die im letzten START- Vertrag vereinbarten Obergrenzen der Sprengköpfe für Interkontinentalraketen von 12.000 auf US- und 11.000 auf GUS-Seite auf jeweils die Hälfte zu reduzieren, hatte Jelzin gar eine neue Obergrenze von lediglich 2.500 Sprengköpfen vorgeschlagen. In der Unterredung zwischen Kosyrew und Baker blieb nun vor allem die Frage ungelöst, welche Sprengköpfe vernichtet werden sollten. „Dies ist weniger eine Frage der Zahl. Wir müssen über die genaue Mischung nachdenken“, sagte der US-Außenminister. Hintergrund der Kontroverse ist, daß die ehemalige UdSSR hauptsächlich bodengestützte Interkontinentalraketen aufgestellt hat, die USA dagegen ihr Hauptarsenal auf U-Booten spazierenfahren. Die Mischung zwischen den boden- und seegestützten Raketen ist aber gerade strittig.

Der US-Außenminister wollte die Möglichkeit nicht ausschließen, daß es als Ergebnis der Verhandlungen zu einem Austausch von Noten kommen könnte, die den START-Vertrag ergänzen. Am Montag hatte Jelzin nach einem Treffen mit Baker im Kreml noch erklärt, man sei einer Einigung sehr nahe. Baker und Kosyrew wollen ihre Gespräche am 10.März am Rande der Nato-Außenministertagung in Brüssel fortsetzen. Dann soll auch der Plan für das Raketen-Frühwarnsystem zur Diskussion gestellt werden, über das in Moskau zunächst keine technischen Details bekannt wurden. Auf die Frage von Journalisten, ob Washington plane, künftig keine Atomraketen mehr auf russische Städte zu richten, wie dies Rußland umgekehrt für US-Städte angekündigt hatte, antwortete der US-Außenminister ausweichend. Er wies darauf hin, daß Jelzin zugegeben habe, daß die von ihm angekündigte Maßnahme in „kürzester Zeit rückgängig gemacht werden kann“. Die Frage berge auch noch ein zweites Problem in sich. So sei gegenwärtig aus „praktischen Schwierigkeiten“ heraus noch nicht nachprüfbar, ob wirklich keine Waffen mehr auf bestimmte Städte gerichtet seien. Er habe Jelzin jedoch versichert, daß Washington die Lösung dieses Problems als „nächstes Ziel“ anvisiere.

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