: Irische Lösung für ein irisches Problem?
Dubliner Urteil gegen 14jähriges vergewaltigtes Mädchen, dem die Abtreibung untersagt wurde, könnte das Maastrichter Abkommen zu Fall bringen/ Brüsseler Rechtsexperten empfehlen eine Klage gegen die Regierung ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Bringt das Dubliner Urteil, das am vergangenen Montag einem 14jährigen vergewaltigten Mädchen die Abtreibung in England untersagte, das Maastrichter Abkommen zu Fall? Dieses Abkommen vom Dezember 1991 enthält nämlich ein Zusatzprotokoll, in dem Irland das Recht auf ein generelles Abtreibungsverbot garantiert wird. Im Juni muß die irische Bevölkerung per Referendum über Maastricht entscheiden.
Verschiedene Frauenorganisationen haben darauf hingewiesen, die Annahme des Abkommens würde bedeuten, daß das Abtreibungsverbot nicht nur in der irischen Verfassung, sondern auch in einem internationalen Vertrag festgeschrieben wäre. Eine telefonische Umfrage unter 12.000 IrInnen ergab vorgestern, daß 61 Prozent für eine Änderung des entsprechenden Verfassungsparagraphen sind. Da auch viele irische Bauern wegen der EG-Subventionskürzungen gegen das Abkommen stimmen werden, ist eine Ablehnung durchaus denkbar. In dem Fall müßte der gesamte Vertrag zwischen den zwölf EG- Mitgliedsstaaten neu ausgehandelt werden.
Rechtsexperten in Brüssel überlegen inzwischen, wie man dem irischen Zusatzprotokoll beikommen kann. Der britische Jurist Peter Duffy empfahl der Europäischen Kommission, gegen die irische Regierung vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen. Schließlich wurde dem Mädchen nicht nur die Abtreibung, sondern für neun Monate auch die Ausreise aus Irland untersagt. Das widerspricht nach Meinung der Experten der im Maastrichter Abkommen garantierten Reisefreiheit.
Die irische Regierung setzt ihre ganzen Hoffnungen auf die Berufungsverhandlung im Prozeß gegen die 14jährige, die bereits in der kommenden Woche vor dem höchsten irischen Gericht stattfindet. Heben die Richter das Urteil der ersten Instanz auf, so hätte man die gewünschte „irische Lösung für ein irisches Problem“: Man könnte dann mit richterlichem Segen die Tatsache ignorieren, daß jedes Jahr 10.000 irische Frauen in englische Abtreibungskliniken fahren. Wird das Urteil dagegen bestätigt, käme man um ein Referendum über das konstitutionelle Abtreibungsverbot wohl nicht umhin. Selbst eine minimale Liberalisierung des Abtreibungsverbots ist jedoch in Irland nicht mehrheitsfähig.
Mit Schrecken erinnerte sich der männliche Frauenminister Tom Kitt an die tiefen Gräben in der Bevölkerung, die sich bei der Debatte 1983 aufgetan hatten. Die irische Präsidentin Mary Robinson forderte die Bevölkerung jetzt auf, endlich „den Mut aufzubring“, sich dem Problem zu stellen. Der katholischen Kirche nahestehende Organisationen warfen ihr vor, mit dieser Äußerung ihr Amt mißbraucht zu haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen