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Bewußte Unklarheiten über die Zukunft der serbisch besetzten Gebiete in Kroatien gefährden die Friedensmission der UNO

In wessen Händen wird die Verwaltung der Krajina und Slawoniens liegen?/ Die Erklärung des UNO-Generalsekretärs nimmt von den Ergebnissen des Den Haager Friedensprozesses keine Notiz/ „Status quo“ in den besetzten Gebieten heißt Anerkennung der Gesetzlosigkeit  ■ Von Dunja Melcic

Auch kurz vor dem endgültigen Beschluß des UNO-Sicherheitsrates, 13.000 „Blauhelme“ in die kroatischen Krisengebiete zu entsenden, sind nicht alle Ungereimtheiten des UNO-Friedensplanes vom Tisch. Noch immer ist nicht klar, welche Fassung des Plans eigentlich bei der Stationierung gelten wird. Die Stationierungsgebiete sind zwar genau bezeichnet, aber welche Gesetze dort gelten, welcher Jurisdiktion sie unterstehen werden, bleibt bislang im dunkeln.

Die Drohungen des Kniner Despoten Babic, den sein bisheriger Patron Misosevic in Stich gelassen hat, stellen noch das geringere Risiko dar. Wirklich gefährlich für das Gelingen der UNO-Friedensaktion sind die Unstimmigkeiten bei der Auslegung des Friedensplans. Man wird sich erinnern, daß sowohl der frühere UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar als auch Peräsident Bush vor der Anerkennung Kroatiens und Sloweniens gewarnt haben. Die Warnung galt vor allem der Bundesrepublik. Ihre Argumente waren identisch: die Anerkennung werde die politische Krise verschärfen, der Krieg werde sich ausweiten. Tatsächlich aber führte gerade die Anerkennung dazu, daß es einen über Wochen anhaltenden Waffenstillstand gab und Milosević über Nacht seine Politik ändern mußte und die Friedensrhetorik seines größten Rivalen Vuk Drasković übernahm, um zuletzt doch dem Friedensplan und der Stationierung der Blauhelme zuzustimmen. Kroatien wurde von allen europäischen und einigen Ländern aus Übersee anerkannt — und zwar in seinen legitimen Grenzen.

Genau deshalb mußte Kroatien auch verbindlich die Bedingung der Europäischen Gemeinschaft erfüllen, durch ein Sondergesetz mit verfassungsgesetzlicher Geltung Minderheitenrechte zu schützen und in den Gebieten mit serbischer Bevölkerungsmehrheit zusätzlich zur kulturellen und auch die politische Autonomie zu gewährleisten. Die Warnungen aus New York und Washington haben sich also als nichtig entpuppt. Nach so vielen Fehleinschägen konnte die europäische Politik einen Erfolg für sich verbuchen.

Zwar gibt es eine nicht nur deklarative Übereinstimmung zwischen der europäischen und amerikanischen bzw. UNO-Friedenspolitik. Aber es gibt auch jene berühmten „kleinen Differenzen“, die es in sich haben. In New York und Washington mischt sich in den Friedensplan für Jugoslawien beharrlich der Wunsch, „die Krise in Jugoslawien“ lösen zu wollen, wofür man sich durch Nichtanerkennung das Hintertürchen offen hält. Mit der Mission des stellvertretenden UNO-Sekretärs Marrack Goulding und vor allem mit dem Bericht des neuen Generalsekretärs Ghali vom 4.Februar wuchs aber das Mißtrauen über die Absichten der UNO — und somit auch der amerikanischen Politik.

War Marrack Goulding, dem Ghali die Aufgabe übertrug, die Hindernisse für die Stationierung von UNO-Friedenstruppen zu beseitigen, einfach der Aufgabe nicht gewachsen? Oder enthielt sein Besuch bei dem Kriegsverbrecher Babic den Hintergedanken, dieser Enklave der aufständischen Serben einen Status zu verleihen, der eine Grenzrevision nicht vollkommen ausschließt und/oder eine „jugoslawische Lösung“ als Option offen hält? Der erwähnte Bericht kann solche Spekulationen erhärten. Dort wird ausdrücklich gesagt, daß in den UNO-Schutzgebieten die „Gesetze und Institutionen der Republik Kroatien“ nicht gelten. Welche Gesetze sollen denn dort gelten? Zwar ist es klar, daß die Verfassung der Republik Kroatien ihre Gültigkeit für das besetzte Gebiet erst dann erlangen kann, wenn die Bedingungen dafür erfüllt sind, und d.h. vor allem, wenn die die lokale Selbstverwaltung in den Gebieten mit der serbischen Mehrheit eingerichtet ist. Der Bericht des UNO- Generalsekretärs läßt aber jeden Hinweis in dieser Richtung vermissen. Es war aber gerade diese Lösung, die den Kern des Friedensplans der Europäischen Gemeinschaft darstellte und die implizit Teil der Anerkennung Kroatiens durch die Länder der Gemeinschaft war. Nur sie wäre in der Lage gewesen, den Kroaten die ersehnte „Normalisierung“ ihrer Lage zu bringen. Ganz und gar mißverständlich — um es gelinde zu sagen — ist Ghalis Bestimmung, daß „die Stationierung der Truppen den Status quo nicht ändern wird“. Was ist der Status quo in den besetzten Gebieten ? Es herrschen dort überhaupt keine Gesetze, sondern das Faustrecht, Raub und Mord. Status quo erhalten kann dann nur heißen, die Gesetzlosigkeit schützen. Die Erklärung des neuen UNO-Generealsekretärs steht außerdem im Gegensatz zu der UNO-Sicherheitsrats-Resolution, die in aller Klarheit festlegt, daß der Einsatz der Blauhelme die Rückkehr der vertriebenen Bevölkerung ermöglichen soll und die lokalen Ordnungskräfte entsprechend der ethnischen Zusammensetzung der Vorkriegszeit gebildet werden sollen. Im eroberten Ostkroatien etwa gab es in der Mehrheit der Gemeinden einen nichtserbischen Bevölkerungsanteil von 80 bis 90 Prozent. Nur in einzelnen, zumeist kleineren Gemeinden kam die serbische Bevölkerung auf mehr als 35 Prozent. Status quo für Vukovar? Die serbischen Ursurpatoren, deren Willkürherrschaft übrigens auch die unbeteiligte serbische Bevölkerung hart trifft, haben Goulding erklärt, daß die Formulierung, nach der die Friedenstruppen „in Kroatien“ stationiert werden sollen, „präjudiziert“, daß diese Gebiete zum Staat Kroatien gehören. Das leuchtete offensichtlihch ein und spiegelt sich in der Formulierung, daß mit der Stationierung der Blauhelme keine „politische Lösung vorweg genommen wird“. Wie verträgt sich das aber mit dem Satz, daß die Friedenssoldaten stationiert bleiben, bis eine „umfassende Lösung der jugoslawischen Krise gefunden wird“?

Darin ist nicht nur eine Vorwegnahme der Möglichkeit „einer umfassenden Lösung der jugoslawischen Krise“ enthalten, sondern auch die vollkommene Ignorierung des Scheiterns solcher Bemühungen. Borislav Jovic — der sich selbst zum Staatspräsidenten des nicht mehr existierenden Staates gekürt hat — hat diese Logik so verstanden: „Die UNO-Truppen kommen, um die Gebiete zu sichern, die wir im Krieg gewonnen haben.“

Letztendlich muß man bezweifeln, ob die UNO überhaupt die Entscheidungen der europäischen Staaten zur Kenntnis genommen hat. Die Kroaten, die aus Knin und den eroberten Gebieten drumherum flüchten mußten, deren Häuser geplündert und vernichtet wurden und die als Flüchtlinge aus Notunterkünften in den nahen dalmatinischen Städten den Gang der Dinge verfolgen, werden es jedenfalls nicht ertragen können, daß die UNO-Truppen Leute unterstützen, die nach jedem Gesetz in der Welt auf die Anklagebank müßten. Das Gleiche gilt für die Flüchtlinge aus anderen Gebieten — und es sind derer insgesamt 700.000. Mag der kroatische Präsident Tudjman unterschreiben, was er will, einen Plan, der diejenigen schützen soll, die solch unvorstellbare Verbrechen begangen haben — die UNO-Beamten könnten eigentlich auch einen Blick auf den Bericht der „Helsinki-Watch“- Gruppe werfen —, wird die Bevölkerung in Kroatien — gleich welcher Nationalität — nicht annehmen. Dunja Melcic

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