: Taiwanische Schachnovelle
■ „King of Chess“, ein Regie-Zwitter im Forum
Am Ende von Tsui Harks Film Once Upon a Time in China, der bereits im Forum zu sehen war (siehe taz vom 21. 2.), trägt der Kung Fu-Meister Anzug und Krawatte - Symbol für die Öffnung des fernöstlichen Landes gen Westen. In Tsui Harks zweitem Forums- Beitrag ist die Verwestlichung weit fortgeschritten, zumindest in Taiwans Kapitale Taipeh: Eine rasche Bildfolge zeigt Stoßverkehr, Neonreklamen, Monitorwände und blendet über zur Produktion einer TV- Show. Kinder mit besonderen Fähigkeiten sind die Stars der Sendung. Ein hochintelligenter, zudem zu übersinnlichen Wahrnehmungen befähigter Knabe wird zum Schachmeister aufgebaut und soll vor den Kameras gegen einen Champion antreten. Nach vielerlei Verirrung und Verwirrung findet die Partie statt, und der Junge spielt um mehr als nur den ausgesetzten Preis. Ching Ling, an der Produktion der Sendung beteiligt, beobachtet das Match mit gemischten Gefühlen. Vierundzwanzig Jahre zuvor, zur Zeit der Kulturrevolution, war er Zeuge eines ähnlich bedeutsamen Schachspiels. Der junge Wang Yi-sing, Häftling eines Umerziehungslagers in Rotchina, forderte drei Großmeister zu einem Simultanspiel heraus, um eine Verbesserung seiner Lebensbedinungen zu erreichen. Er spielte um sein Leben, denn der herzkranke Intellektuelle hätte das harte Lagerleben kaum länger durchgestanden.
Die Produktionsgeschichte von King of Chess ist verzwickt. Am Ende stand ein von zwei Regisseuren, Yim Ho und Tsui Hark, inszeniertes 'Packkage'. Zwei Handlungsebenen, in je eigener Ästhetik umgesetzt, laufen parallel, verbunden allein durch die Figur des Ching Ling. Yim Ho erzählt bedächtig, in graublauen Farben von den Drangsalen, der Willkür und Entwürdigung in den kommunistischen Lagern; Tsui Hark widmet sich mit Action, Komik und flottem Schnitt der Gegenwart und karikiert die Sensationsgier der Medien sowie den Zynismus der Beteiligten. „Gimmicks, ethics - it's all the same“, philosophiert Ching Ling einmal abgeklärt, bevor die Skrupellosigkeit der TV-Schaffenden einen Sinneswandel bewirkt.
King of Chess mag nicht der homogenste Film des Festivals gewesen sein, als eigenwilliger Versuch, die Verfehlungen der beiden Herrschaftssysteme gegeneinanderzustellen, ist er bemerkenswert und rechtfertigt die Aufnahme in das Forums-Programm.
Harald Keller
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