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Jammerstunde für Ostler

■ Debatte im Abgeordnetenhaus über die Situation der Ostberliner Mieten und die soziale Infrastruktur

Berlin. Allgemeines östliches Unbehagen artikulierte sich bei der gestrigen Debatte im Abgeordnetenhaus zur Situation der Ostberliner Mieten und der Infrastruktur. Außer der PDS, die mit Harald Wolf einen Westredner aufbot, sprachen zunächst nur Ostabgeordnete zum Thema. Einig war man sich darin, daß die ungeklärten Eigentumsverhältnisse vieles behinderten. Insbesondere sei es ein Problem für die Wohnungsbaugesellschaften, daß die ihre Grundstücke deshalb nicht beleihen dürften, so der CDU-Abgeordnete Franz Niedergesäß. »Die Sanierung von Niederschöneweide und der Großsiedlungen von Marzahn und Hellersdorf ist genauso wichtig wie die Diskussion um den Reichstag«, sagte Niedergesäß. Wolf beklagte ebenfalls die fortwährende, ausschließliche Metropolendiskussion und forderte Niedergesäß auf, mit ihm »fraktionsübergreifend« für Ostler Position zu beziehen. Auch das vom Ost-SPD-Abgeordneten Helmut Fechner geforderte Mietenmoratorium wolle die PDS unterstützen. Der SPD-Abgeordnete Ralf Hillenberg beklagte, daß die Wohnungsbaugenossenschaften keine Senatsgelder in Anspruch nehmen könnten, weil sie den Eigenanteil von 50 Prozent nicht aufbringen könnten. »Wir wollen keine City mit Bürohochhäusern und teuren Hotels, wo sich die Bewohner die Nasen plattdrücken«, sagte Brigitte Engler vom Bündnis 90. Die Bewohner fühlten sich ausgegrenzt. »Als in Rheinhausen 5.000 Leute arbeitslos wurden, war das ein Riesenproblem, bei uns passiert das überall«, beklagte der FDP-Abgeordnete Gerhard Schiela. Im Osten fehle es an allem. Auch Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) steuerte anschließend einige Allgemeinplätzchen bei. Es gebe kein Magdeburg-West oder Düsseldorf-Ost, Berlin jedoch sei das »Laboratorium der Einheit«. Man habe den Bewohnern der ehemaligen DDR mehr versprochen, als man habe halten können, daher sei deren Enttäuschung emotional verständlich. Aber man brauche Zeit und Geld, die Probleme zu lösen. Im übrigen habe auch der Westteil der Stadt Probleme damit, daß er nicht mehr das gehätschelte, subventionierte Kind der Bundesregierung sei. »Die umfassende Daseinsfürsorge für die Gesamtstadt neigt sich einem Ende zu«, sagte Nagel. Aber immerhin habe man schon letztes Jahr 1,6 Milliarden Mark im Ostteil der Stadt für bauliche Maßnahmen ausgegeben. Kaum hatte Nagel gesprochen, so gerieten sich die Ostler in die Haare. Niedergesäß beklagte sich mit spürbarer Bitterkeit über die permanente Lamentiererei von Bündnis 90, die »Pessimismus und Horror« verbreite. Er habe früher auf dem Bau gearbeitet und werde nun als Blockflöte beschimpft, sagte Niedergesäß. esch

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