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Die Methadon-Fronten weichen auf

Bei einem Berliner Kongreß setzt sich die Erkenntnis durch: Den drogenpolitischen Königsweg gibt es nicht  ■ Aus Berlin Jeanette Goddar

Wenige Dinge erregen deutsche Gemüter so sehr wie unterschiedliche Standpunkte in der Drogenpolitik: Daß Methadonbefürworter vor der Droge kapitulieren, sagen die einen, daß das Ziel einer drogenfreien Therapie an der Realität vorbeigeht, behaupten die anderen. Überzeugte Therapierte tun ebenso wie zufriedene Substituierte bei jeder Fachdiskussion ihr übriges, die Fronten zu verhärten. Den Stein der Weisen meinte bisher jeder für sich entdeckt zu haben. 15 Jahre nachdem in Holland die Methadonvergabe neben der klassischen Therapie eingerichtet wurde, weichen in Deutschland die Fronten jedoch nun auch langsam auf.

Unter dem Motto „Opening Doors— Sucht ohne Grenzen“ diskutierten in der vergangenen Woche über 400 Therapeuten, Ärzte, Psychologen, Ex-User und Politiker in der Technischen Universität in Berlin. Organisiert von der Europäischen Konferenz der therapeutischen Gemeinschaften versprach der Kongreß zunächst, dem klassischen Therapiegedanken entsprechend, zu einem Treffen der Abstinenzbefürworter zu werden. Denn Drogentherapie in der Bundesrepublik beinhaltet gewöhnlich einen Entzug ohne medikamentöse Begleitung sowie verschiedene Therapiephasen mit Kontaktsperren, durchorganisierten Tagesabläufen, ohne Alkohol, ohne Sex. Doch auch Kritiker dieses Konzepts waren geladen.

Über 50 Prozent der Therapien seien inzwischen erfolgreich, rechnete einer der Veranstalter den Erfolg des drogenfreien Konzepts vor. 5.000 Abhängige stünden alleine in Deutschland auf der Warteliste. Dagegen hielt Ingo Ilja Michels vom Verein „akzept“für akzeptierende Drogenarbeit, daß nach einer Studie der Deutschen Aids-Hilfe lediglich 46 Prozent der Junkies an mehr stationären Therapieeinrichtungen interessiert seien. Über 80 Prozent hätten sich hingegen für straffreien Drogenbesitz, mehr Kontaktläden, schnellere Entgiftungsmöglichkeiten und eine bessere ambulante Versorgung ausgesprochen. „Das Konzept der Drogenfreiheit geht an vielen vorbei.“ In Amsterdam, so der Psychologe Roel Hermanides (siehe Interview) würden mit Spritzentauschprogrammen, Methadonstationen, Kontaktläden sowie individuellen Behandlungskonzepten inzwischen über 70 Prozent der Abhängigen erreicht. Von dieser Zahl ist die Bundesrepublik noch weit entfernt. Die Gegner einer akzeptierenden Drogenpolitik werden insbesondere durch das HIV und Aids aus dem Konzept gebracht. Denn Spritzenvergabe verringert erwiesenermaßen die Infektionsgefahr für Junkies erheblich. Und auch darüber, daß es wenig sinvoll ist, Aids-Kranke in eine achtzehnmonatige Therapie zu stecken, herrscht inzwischen weitgehend Einigkeit. Das bisher „unmöglich Gedachte fabrizieren“ will Ingo Ilja Michels von „akzept“ nun auch in Deutschland. Auch ein Arzt forderte zu überprüfen, „ob therapeutische Gemeinschaften im Zeitalter von Aids generell drogenfrei bleiben können“. Gegen diese Entwicklung wandte sich auf dem Kongreß Inge Roloff als Vertreterin des Bundesverbandes der Elternkreise. „Wir sind gegen jede Liberalisierung.“

Dennoch: Es wurden „viele Zöpfe abgeschnitten“, wie Veranstalter Horst Brömer den Kongreß abschließend kommentierte. Zunehmend scheint sich unter den sogenannten Fachleuten die Erkenntnis durchzusetzen, daß es den drogenpolitischen Königsweg nicht gibt. „In Holland haben wir gesehen, daß drogenfreie und Methadonprogramme nebeneinander existieren können“, erzählte auch Henk-Jan van Vliet aus Amsterdam und empfahl den Deutschen, doch einmal „darüber nachzudenken, ob man nicht nur mit verschiedenen Positionen und Ansätzen die Lebensqualität für alle verbessern kann“.

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