: Überwachung - da war doch was?
■ Begegnung der dritten Art bei BASF am westdeutschen Rhein
Überwachung — da war doch was? Begegnung der dritten Art bei BASF am westdeutschen Rhein
Zwei jungen Leuten stinkt es gewaltig. Der Aufruf zur Demonstration kommt ihnen da gerade recht. Demonstrationsunerfahren, wie sie sind, geraten sie prompt in eine Polizeikontrolle. Ihre Personalien werden überprüft, danach können sie weiterziehen. Kurz darauf haben sie eine Begegnung der dritten Art. In einem Gespräch mit ihrem Ausbildungsleiter deutet dieser ihnen an, ihre Übernahme nach Abschluß der Lehre sei unwahrscheinlich, Dissidenten seien im Betrieb nicht so gern gesehen. Nun ja, die Stasi hatte ja überall ihre Finger drin, kennt man ja — stutzig macht nur, daß die beiden Azubis nicht in Leipzig, sondern in Mannheim demonstriert hatten und die Vorgesetzten nicht am volkseigenen Schreibtisch von Robotron, sondern in der Führungsetage des westdeutschen Weltkonzerns BASF saßen.
Als vor gut einer Woche bekannt wurde, daß der Ludwigshafener Großkonzern Personaldaten bei der örtlichen Polizei überprüfen ließ, versuchte der Konzern sich noch mühsam herauszureden. Es sei lediglich darum gegangen, Leiharbeiter vor Arbeitsantritt zu überprüfen, da angeblich mehr als die Hälfte der im Werk festgestellten Straftaten von Fremdarbeitern verübt würden. Rückmeldungen von der Polizei zum Werkschutz habe es nicht gegeben. Als wenige Tage später dann bekannt wurde, daß nicht nur die Polizei, sondern auch der Verfassungsschutz in die Personalprüfungsverfahren involviert war, konnte die Firma kaum noch dementieren, daß sie im Verein mit Polizei und Geheimdienst einen eigenen Radikalenerlaß praktizierte. Wie dies in der Praxis aussah, wissen wir jetzt: politisch unzuverlässige Arbeitnehmer wurden aussortiert.
Bei bundesdeutschen Sicherheitsorganen ist derzeit nichts so unpopulär, wie mit der Stasi verglichen zu werden. Das wäre auch im Falle BASF nicht wirklich treffend. Für eine Gesellschaft allerdings, die für sich die Errungenschaft einer informellen Selbstbestimmung als wichtiges Individualrecht in Anspruch nimmt, ist es verheerend, wenn sich herausstellt, daß Geheimdienst und Polizei ganz platt im Interesse des Kapitals zu Werke gegangen sind.
Verglichen mit der Macht des MfS mag die Zusammenarbeit zwischen Polizei und BASF als Marginalie erscheinen. Tatsächlich bestätigt sie nur alte Erfahrungen, die unter der Last der Stasi- Enthüllungen in Vergessenheit zu geraten drohen: auch in der neuen Bundesrepublik sind die Freunde und Helfer oft von ganz anderen Interessen geleitet als das Grundgesetz nahelegt. Und auch in der neuen Republik sind demokratische Verhältnisse ein Prozeß und kein Zustand. Jürgen Gottschlich
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